Aufmüpfiger Uni-Nachwuchs
Machtkampf in Thailand zwischen Opposition und Regierung
Noch bis vor einiger Zeit war der Premierminister bemüht, sich versöhnlich und staatsmännisch zu geben - zumindest nach außen hin und wenn ihm nicht wieder mal sein eigenes Temperament einen Strich durch die Rechnung machte. Erst ging es darum, im Frühjahr 2019 die Wahl zu gewinnen, und später wenigstens in der Wahrnehmung den Ballast der eigenen Vergangenheit abzuschütteln. Nämlich, dass da weiterhin einer die thailändische Politik anführte, der im Mai 2014 als damaliger Armeechef in einem unblutigen Militärputsch die Macht an sich gerissen hatte. Hergeben möchte Prayuth diese nach wie vor nicht, und als er sich dieser Tage mit warnenden Sätzen direkt an die jungen Leute wandte, hatte die Drohung schon beinahe apokalyptisches Vokabular: »Umringt von Flammen« würden seine Gegner enden, »wenn wir einander politisch hinwegzufegen versuchen, wird dieses Land kollabieren«, so seine Prognose.
Kurzzeitig hatte die Regierung auf die Demos mit gewisser Zurückhaltung reagiert. Wissend, dass man die nach der Wahl zweitgrößte Oppositionskraft Future Forward Party (FFP) unter fragwürdigen Beschuldigungen mit Hilfe der Justiz vor einem halben Jahr ausgeschaltet hat und die größte, Pheu Thai (PT), sich nach wie vor in einer Führungskrise befindet. Ein zunächst kleiner Haufen Studierender mochte da nicht sehr bedrohlich wirken. Doch die Lage hat sich geändert. Seit dem ersten Kräftemessen Mitte Juli haben die Kundgebungen an Intensität zugenommen. Im August wurden schon beinahe täglich kleinere oder größere Aktionen veranstaltet, die Zahlen der Teilnehmenden lagen dabei zwischen ein paar Hundert und bis zu 10 000. Da sie zudem teilweise direkt im Regierungsviertel stattfinden, geht die Prayuth-Administration immer stärker zu offener Repression über. Beinahe täglich gab es in den vergangenen zwei Wochen vorübergehende Festnahmen.
Einschüchtern lassen sich die Protestierenden aber selbst durch die Verhaftungswelle nicht. Was klein begann, gewinnt an Struktur, Breite, Ausdrucksstärke. Vergangenen Mittwoch wagte es eine Gruppe gar, dem Abgeordneten Padipat Sunthipada von der gemäßigt kritischen Move Forward Party einen Forderungskatalog zu übergeben. Auch wenn man nicht alle Ansichten der jungen Leute teile, müsse man sich ihre Vorschläge doch mit Respekt anhören, sagte der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Politische Entwicklung, Massenkommunikation und öffentliche Partizipation. Die Forderungen haben es in Thailand, wo der König als unantastbar gilt, in sich: Neben dem Rücktritt von Regierungschef Prayuth und Neuwahlen wollen die Studierenden auch eine Reform der Monarchie mit staatlicher Finanzkontrolle und die Abschaffung des Paragrafen erreichen, der bei Majestätsbeleidigungen bis zu 15 Jahren Haft vorsieht.
Panasaya Sitthijirawattanakul, die das Papier überreichte, ist eine Anführerin der United Front of Thammasat and Demonstration. Diese Gruppe führt ihre Herkunft von der teilweise als besonders liberal-aufmüpfig geltenden Thammasat-Universität, wo am 10. August demonstriert wurde, im Namen. Noch bekannter ist die Free Youth Group, die federführend bei der Organisation der Großdemos war. Mehrere Mitglieder wurden inzwischen verhaftet, zuletzt am 26. August Thatthep Ruangprapaikitseree und Panumas Singprom. Gegen sie wird der Aufruhrparagraf 116 in Stellung gebracht. 15 weitere Personen, die am Freitag von der Polizei in Zusammenhang mit der Kundgebung vom 18. Juli verhört wurden, wird ein Übertreten von Corona-Schutzregeln vorgeworfen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.