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Albright Stargast bei Grünen
Fraktion redet mit früherer US-Außenministerin über transatlantische Beziehung
Madeleine Albright hat mit den Grünen nur gute Erfahrungen gemacht. Als Außenministerin in der Administration des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton arbeitete sie um die Jahrtausendwende eng mit ihrem deutschen Amtskollegen Joschka Fischer zusammen. Nachdem ihre Politikerkarrieren vorbei waren, verschaffte Albright dem Grünen sogar einen Job bei ihrer Washingtoner Beraterfirma.
Nun hat die Bundestagsfraktion der Grünen die US-Demokratin als Stargast für ihre Herbstklausur am Mittwoch angekündigt. Ein Thema wird dann die im November anstehende Präsidentschaftswahl in den USA sein, bei der Albrights Parteikollege Joe Biden gegen Amtsinhaber Donald Trump antritt. Nach Auskunft der Grünen-Pressestelle werden die Abgeordneten mit Albright auch über »den Zustand der transatlantischen Beziehungen diskutieren«. Die US-Amerikanerin werde der Klausur digital zugeschaltet.
Die Zusammenarbeit der transatlantischen Partner war auch die Basis für gemeinsame Kriegseinsätze der Nato. Fischer und Albright stehen für die Bombardierung Jugoslawiens im Kosovokrieg von 1999. Zum Jahrestag des Kriegs waren Albright und Clinton vergangenes Jahr in den Kosovo gereist. Dort wurden sie von einer jubelnden Menge als »Befreier« von der Belgrader Staatsmacht gefeiert. Die US-Amerikaner trafen sich auch in freundschaftlicher Atmosphäre mit dem damaligen Regierungschef Ramush Haradinaj, obwohl diesem von serbischen Behörden Kriegsverbrechen vorgeworfen werden und er immer wieder vor dem Sondergericht in Den Haag erscheinen muss.
Dass Spitzenpolitiker der Grünen nun Albright eingeladen haben und sich positiv über Fischer äußern, sind Anzeichen dafür, dass sie zu ihrer damals intern heftig umstrittenen Entscheidung für den Nato-Kriegseinsatz stehen.
Als Fischer vor zwei Jahren seinen 70. Geburtstag feierte, gratulierte Parteichefin Annalena Baerbock ihm auf Twitter und bezog sich in ihrem Schreiben auch auf den Kosovokrieg: »Joschka Fischer hat den Rock ‘n‘ Roll in die Politik gebracht und die Grünen in die Regierungsfähigkeit geführt. Er hat unserer Partei auch viele unbequeme Entscheidungen zugemutet. Aber nur aus Zumutung erwächst Zutrauen und Kraft. Alles Gute, Joschka!« Baerbock teilte zu diesem Anlass einen Videozusammenschnitt, in dem auch Sequenzen aus der Rede zu sehen sind, in der Fischer seine Kriegsbegründung lieferte. Er verglich die Auseinandersetzungen, Massaker und Menschenrechtsverletzungen im auseinanderbrechenden Jugoslawien mit dem Holocaust. »Ich stehe auf zwei Grundsätze. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Krieg«, so der Grüne.
Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Fischer hatte Ko-Parteichef Robert Habeck vor gut einem Jahr konstatiert, dass die damalige Entscheidung auf dem Bielefelder Parteitag für den Nato-Einsatz die Grünen verändert habe. Ein bedingungsloser Pazifismus mache die Welt nicht besser. Andererseits könne man nicht »mit wehenden Fahnen in jeden Konflikt ziehen«, erklärte Habeck.
Diese Haltung zeigt sich auch im Wahlprogramm der Grünen. Vor der Bundestagswahl 2017 hatten sie versprochen, »Einsätzen der Bundeswehr nur mit einem Mandat der Uno« zuzustimmen. Ein solches Mandat fehlte beim Kosovokrieg, der deswegen von kritischen Politikern und Wissenschaftlern als völkerrechtswidrig bezeichnet wird. Im Programm der Grünen heißt es weiter, dass Militäreinsätze grundgesetzkonform sein müssten. Sie lehnen Koalitionen der Willigen ab und setzen auf ein »System kollektiver Sicherheit wie die UN, die EU oder die Nato«.
Das klingt zwar eindeutig. Allerdings gibt es in den Reihen der Grünen nach wie vor Konflikte über die Außen- und Militärpolitik, die derzeit gedeckelt werden. So ist sich die Bundestagfraktion etwa uneins über den gegenwärtigen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Als dieser im März vom Bundestag einmal mehr verlängert wurde, stimmten 17 Abgeordnete der Grünen dafür, 28 mit Nein und 12 weitere enthielten sich. Viele Politiker der Partei meinen, dass bei dem Einsatz, den die Grünen einst selbst mitverantwortet hatten, zu viele strategische Fehler gemacht worden seien. Der Krieg in dem zentralasiatischen Land dauert an und es sind keine Fortschritte erkennbar. Dass das deutsche Militär weiterhin im Kosovo stationiert ist, hält hingegen die deutliche Mehrheit der Grünen-Abgeordneten für richtig.
Wenn die Parteien des Mitte-links-Spektrums in den nächsten Wochen und Monaten intensiver als bisher über eine mögliche Zusammenarbeit nach der nächsten Bundestagswahl diskutieren sollten, dürfte es neben der Linkspartei auch bei den Grünen noch Klärungsbedarf in Sachen Bundeswehr und Auslandseinsätze geben.
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