- Politik
- Bundeswehr
Zu viele Markenbotschafter in Flecktarn
Die Flecktarnuniform ist längst kein alleiniges Zeichen mehr für Angehörige der Bundeswehr. Radikale Kontexte nehmen zu
Als am Wochenende rund 40 000 Demonstrant*innen in Berlin ihren persönlichen Umsturzversuch proben, ist auch der 40-jährige Ronny B. dabei. Der mutmaßliche Reservist aus Franken hat reichlich zu tun. Seinen Weg an diesem Wochenende vollziehen Journalisten des Bayerischen Rundfunks und der »Nürnberger Nachrichten« nach. Drohungen gegen Polizist*innen, antisemitische Äußerungen und dazu die Reichsflagge bei einem Autokorso schwenken - schon in der realen Welt ist das Anlass zur Sorge. Digital ist der Messengerdienst Telegram die Plattform, die Ronny B. zur Selbstinszenierung nutzt und auf der er zeitweise bis zu 2000 Follower erreicht. Folgt man der Bundeswehrargumentation zu Social-Media-Auftritten, so handelt es sich um ein rein privates Engagement, in das nicht eingegriffen wird.
Eine telefonische Anfrage beim Reservistenverband ergibt, Ronny B. sei zumindest nicht im Reservistenverband Mitglied. Nach eigenen Angaben und den Recherchen war Ronny B. Zeitsoldat im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers und nahm an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil.
Die Uniform, die eigentlich als einheitliche Dienstkleidung vorgesehen ist, tritt in der Öffentlichkeit in immer mehr Kontexten in Erscheinung. In der wohl harmlosesten Form kommt die Flecktarnuniform als Modeaccessoire zum Einsatz. Häufig zu sehen sind auch Abwandlungen in Kombination mit dem Friedenssymbol, um damit gegen das Militär zu protestieren. Hinzu kommt die künstlerische Nutzung im Rahmen von Aufführungen. Allen diesen Abwandlungen gemein ist, dass sie eindeutig - optisch oder aus dem Bühnenkontext heraus - als nicht militärisch und friedlich erkennbar sind.
Problematisch ist die Nutzung der Uniformen durch rechte und rechtsradikale Gruppen sowie Motorradclubs oder Veteranenverbände. Hier handelt es sich oft um ehemalige Soldaten, die auch als solche aufgefasst werden wollen. »Reservist! Sagt dir das was?«, ätzt Ronny B. während der Demonstration in die Kamera des ZDF-Teams und meint auf die Frage, was er denn verteidigen wolle: »Mein Volk hier! Weil die Uniformträger (Anmerkung: der Polizei) hier machen es ja nicht!«.
Teil der militanten Selbstermächtigung ist der offene Bruch mit bestehenden Regeln der Bundeswehr. In Fallschirmjägergruppen, die oft durch Ex-Soldaten administriert werden, werden dienstlich verbotene Wehrmachtsbezüge gelebt wie der Spruch »Treue um Treue« oder auch das Tragen von SS-Totenkopfsymbolen. Über Aufnäher oder Patches formieren sich neue Gruppen und Gleichgesinnte finden zusammen.
Anders verhält es sich bei aktiven Bundeswehrsoldaten. Galt früher noch, dass nur der gehoben wirkende Dienstanzug mit Hemd, Krawatte und Anzugschuhen in der Öffentlichkeit getragen wurde, etablierte sich in den vergangenen Jahren zunehmend der Feldanzug in Flecktarn mit Kampfstiefeln. Diese Anzugsart lässt zahlreiche Variationen zu. Werden Leistungsabzeichen oder Tätigkeitsabzeichen einzelner Truppengattungen getragen, so ist auch hier kaum noch Eindeutigkeit gegeben. Auch das Schuhwerk ist durch zahlreiche Variationen kein Anhaltspunkt mehr, dass der Uniformträger wirklich der Bundeswehr angehört.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.