Zu viele Markenbotschafter in Flecktarn

Die Flecktarnuniform ist längst kein alleiniges Zeichen mehr für Angehörige der Bundeswehr. Radikale Kontexte nehmen zu

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Als am Wochenende rund 40 000 Demonstrant*innen in Berlin ihren persönlichen Umsturzversuch proben, ist auch der 40-jährige Ronny B. dabei. Der mutmaßliche Reservist aus Franken hat reichlich zu tun. Seinen Weg an diesem Wochenende vollziehen Journalisten des Bayerischen Rundfunks und der »Nürnberger Nachrichten« nach. Drohungen gegen Polizist*innen, antisemitische Äußerungen und dazu die Reichsflagge bei einem Autokorso schwenken - schon in der realen Welt ist das Anlass zur Sorge. Digital ist der Messengerdienst Telegram die Plattform, die Ronny B. zur Selbstinszenierung nutzt und auf der er zeitweise bis zu 2000 Follower erreicht. Folgt man der Bundeswehrargumentation zu Social-Media-Auftritten, so handelt es sich um ein rein privates Engagement, in das nicht eingegriffen wird.

Eine telefonische Anfrage beim Reservistenverband ergibt, Ronny B. sei zumindest nicht im Reservistenverband Mitglied. Nach eigenen Angaben und den Recherchen war Ronny B. Zeitsoldat im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers und nahm an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil.

Die Uniform, die eigentlich als einheitliche Dienstkleidung vorgesehen ist, tritt in der Öffentlichkeit in immer mehr Kontexten in Erscheinung. In der wohl harmlosesten Form kommt die Flecktarnuniform als Modeaccessoire zum Einsatz. Häufig zu sehen sind auch Abwandlungen in Kombination mit dem Friedenssymbol, um damit gegen das Militär zu protestieren. Hinzu kommt die künstlerische Nutzung im Rahmen von Aufführungen. Allen diesen Abwandlungen gemein ist, dass sie eindeutig - optisch oder aus dem Bühnenkontext heraus - als nicht militärisch und friedlich erkennbar sind.

Problematisch ist die Nutzung der Uniformen durch rechte und rechtsradikale Gruppen sowie Motorradclubs oder Veteranenverbände. Hier handelt es sich oft um ehemalige Soldaten, die auch als solche aufgefasst werden wollen. »Reservist! Sagt dir das was?«, ätzt Ronny B. während der Demonstration in die Kamera des ZDF-Teams und meint auf die Frage, was er denn verteidigen wolle: »Mein Volk hier! Weil die Uniformträger (Anmerkung: der Polizei) hier machen es ja nicht!«.

Teil der militanten Selbstermächtigung ist der offene Bruch mit bestehenden Regeln der Bundeswehr. In Fallschirmjägergruppen, die oft durch Ex-Soldaten administriert werden, werden dienstlich verbotene Wehrmachtsbezüge gelebt wie der Spruch »Treue um Treue« oder auch das Tragen von SS-Totenkopfsymbolen. Über Aufnäher oder Patches formieren sich neue Gruppen und Gleichgesinnte finden zusammen.

Anders verhält es sich bei aktiven Bundeswehrsoldaten. Galt früher noch, dass nur der gehoben wirkende Dienstanzug mit Hemd, Krawatte und Anzugschuhen in der Öffentlichkeit getragen wurde, etablierte sich in den vergangenen Jahren zunehmend der Feldanzug in Flecktarn mit Kampfstiefeln. Diese Anzugsart lässt zahlreiche Variationen zu. Werden Leistungsabzeichen oder Tätigkeitsabzeichen einzelner Truppengattungen getragen, so ist auch hier kaum noch Eindeutigkeit gegeben. Auch das Schuhwerk ist durch zahlreiche Variationen kein Anhaltspunkt mehr, dass der Uniformträger wirklich der Bundeswehr angehört.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!