Abgeordneter gewinnt ohne Verlängerung

Die Linke nominiert den Politiker Norbert Müller im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion für die Bundestagswahl 2021

  • Andreas Fritsche, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf der Südtribüne des Karl-Liebknecht-Stadions nominierte die Linke am Sonnabend den Abgeordneten Norbert Müller zum Direktkandidaten im Bundestagswahlkreis 61, bestehend aus Potsdam und Umgebung. Mit 92 von 160 Stimmen musste Müller nicht in die Verlängerung. Eine Stichwahl war nicht notwendig. Die Mitbewerber Ronald Pienkny und Stefan Roth erhielten 51 beziehungsweise 14 Stimmen. Es gab drei Enthaltungen. Die Nominierung erfolgte an der frischen Luft, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu verringern. Das Rednerpult war so aufgebaut, dass sich dahinter der Rasen erstreckte, auf dem die Fußballmannschaft des SV Babelsberg 03 ihre Heimspiele bestreitet. Im Hintergrund trainierten auf einem Nebenplatz junge Männer. Norbert Müller bekam zur Nominierung ein Trikot des SV Babelsberg 03 mit der Rückennummer 1 geschenkt.

»Wir werden unser Potsdamer Abgeordnetenmandat verteidigen«, meinte die Kreisvorsitzende Martina Trauth zuversichtlich. Sie hätte Norbert Müller gern umarmt, ließ es wegen der Corona-Abstandsregeln jedoch bleiben. Die Frage ist nun, wie es gelingen soll, Müller wieder ins Parlament zu bringen. In der Vergangenheit war die Linke das eine oder andere Mal dicht dran, den Wahlkreis zu gewinnen. Sie schaffte es jedoch nie. Es gilt als unwahrscheinlich, dass es nun ausgerechnet 2021 klappt, da die Partei in Brandenburg nach zehn Jahren rot-roter Koalition von 27,2 auf 10,7 Prozent abgerutscht ist und Müller im Wahlkreis voraussichtlich auf zwei Prominente stößt: die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). »Olaf Scholz steht für alles, nur nicht für eine gerechte Vermögensverteilung«, sagte Müller. Denn Scholz hätte ja für ein gerechtes Steuersystem sorgen können, wenn er gewollt hätte.

Angeblich, so hieß es auf den Rängen der Südtribüne, möchte Norbert Müller Platz eins der Landesliste. Spitzenkandidat der Linkspartei in Brandenburg soll zwar eigentlich Ex-Finanzminister Christian Görke werden. Doch Platz eins ist auf der quotierten Liste der einzige sichere für einen männlichen Bewerber. Darum habe Müller beschlossen, gegen Görke anzutreten, heißt es.

Müller selbst hatte vor seiner Nominierung erklärt, ob er sich um einen Platz auf der Liste bemühe und um welchen Platz, das werde er davon abhängig machen, ob und mit welchem Ergebnis er als Direktkandidat aufgestellt werde. Nachdem er nun Direktkandidat ist, sagte er, das Weitere müsse er mit seinen Genossen beraten. Vor acht Jahren, als Müller das erste Mal für den Bundestag kandidierte, hatte sich der damalige Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) noch für ihn ausgesprochen. Das tat er nun nicht mehr, nachdem er noch im Ohr hatte, wie Müller seinerzeit versprach, er werde nur zwei Legislaturperioden im Bundestag bleiben und danach sein Lehrerstudium zu Ende bringen. »Ich halte es für problematisch, dass er sich für einen Lebensweg als Politiker entscheidet, ohne berufliche Qualifikationen zu haben«, sagte Scharfenberg. Müllers unterlegene Mitbewerber haben beide einen Hochschulabschluss, Pienkny hat sogar promoviert. Pienkny sprach sich in seiner Bewerbungsrede dafür aus, maximal zwei Legislaturperioden im Bundestag zu verweilen, »um für die Politik zu leben und nicht von der Politik«. Er plädierte überdies für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das seiner Ansicht nach durchaus finanzierbar wäre, wenn man beispielsweise auf Aufrüstung verzichten und eine Finanztransaktionssteuer einführen würde, die Spekulationsgewinne an den Börsen einschränkt.

Mitbewerber Stefan Roth kreidete Norbert Müller an, dieser sei »immer Teil der Aktionen gegen Sahra Wagenknecht gewesen«, der beliebtesten Politikerin der Linkspartei. Selbst musste sich Roth ankreiden lassen, dass er einst - als 20-Jähriger für die Linke ins Senftenberger Stadtparlament gewählt - für eine Weile zur Fraktion der Grünen gewechselt war. Jeder Bewerber erhielt nach seiner Rede Applaus, als Sieger ging aber Müller vom Platz. Roth gratulierte fair und wünschte Erfolg. Pienkny sicherte zu, Müller im Wahlkampf zu helfen. Müller selbst versuchte, Mut zu machen. Er meinte: »Eine in Selbstmitleid versinkende Partei hat keinen gesellschaftlichen Nutzen. Natürlich haben wir bei vergangenen Wahlen ziemlich auf die Mütze bekommen - auch zu Recht. Aber daraus muss man Lehren ziehen, aufstehen und wieder losgehen.«

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