Aus für die Pflegekammer

In Niedersachsen wird die Zwangsinstitution wieder abgeschafft

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon als die Pflegekammer nur geplant war, nur auf dem Papier gestanden hatte, hagelte es Protest, gab es Demonstrationen. Erst recht, als die damals in Niedersachsen regierende Koalition aus SPD und Grünen nahezu 90 000 Pflegekräften zum Jahresbeginn 2017 per Gesetz die von vielen ungeliebte Körperschaft aufzwang, verbunden mit der Pflicht, ihr als Mitglied anzugehören. Wer sich nicht als ein solches per Meldebogen registrieren ließ, riskierte eine Bußgeldforderung.

Das vergrätzte viele Pflegende gründlich. Ebenso die ihnen auferlegte Pflicht, für die Zwangsmitgliedschaft auch noch Beiträge zu zahlen. Von einem im pflegerischen Berufsfeld nicht gerade üppigen Lohn. Um die Betroffenen zu besänftigen, entschied die inzwischen regierende SPD/CDU-Koalition Ende 2019: Die Mitgliedschaft ist beitragsfrei, bereits bezahltes Geld wird erstattet.

Doch mehr Sympathie für die Kammer weckte dieser Schritt keineswegs. Das zeigt das jetzt vorgelegte Ergebnis einer vom Sozialministerium gestarteten Umfrage, in der alle Mitglieder über das Schicksal der Institution entscheiden konnten. Von rund 78 000 angeschriebenen Pflegenden hatten 15 100 teilgenommen. Von ihnen stimmten knapp 71 Prozent für die Auflösung der Pflegekammer.

Dieser Forderung soll nun schnellstmöglich entsprochen werden, kündigte Sozialministerin Carola Reimann (SPD) an. Ein Gesetzentwurf dazu komme in den Landtag. »Die Pflegekammer ist ganz offensichtlich nicht die Form von Vertretung, die sich die Pflegekräfte in Niedersachsen wünschen«, kommentierte die Ressortchefin die Umfrage. Zu ihr habe die Regierung zwar eine höhere Beteiligung erwartet, vor allem angesichts der kontroversen politischen Debatten um die Kammer, aber: Das eindeutige Ergebnis »ist für uns bindend«, betonte Reimann.

Das sei rechtlich fragwürdig, meint Nadya Klarmann, Präsidentin der Pflegekammer. Die Institution beruhe auf einem Auftrag des Landtages, der »nicht einfach auf der Basis eines Minderheitenvotums revidiert werden« könne. Dass dies durch einen erneuten Landtagsbeschluss mit den derzeitigen Mehrheiten sehr wohl geschehen kann, wird die noch amtierende Chefin der Kammer voraussichtlich aus einer der kommenden Plenarsitzungen lernen müssen. Geteilt wird Klarmanns Ansicht von den oppositionellen Grünen im Landtag. Deren pflegepolitische Sprecherin Meta Janssen-Kucz rügt: Angesichts der schwachen Beteiligung habe die Umfrage keine Aussagekraft. Dass Reimann die Auflösung ankündigt, aber keine Alternative für eine starke unabhängige Interessenvertretung der Pflegekräfte habe, sei »einer Sozialministerin nicht würdig«, so die Abgeordnete. Die FDP-Opposition schlägt als Alternative »eine freiwillige Pflegendenvereinigung« vor. Sie solle, so Fraktionschef Stefan Birkner, »eine wirkliche Stärkung der Pflege und der Pflegekräfte leisten«.

Die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Pia Zimmermann, Sprecherin für Pflegepolitik der Linksfraktion, resümiert: »Die Pflegekräfte haben ihre Bevormundung durch die Landesregierung erfolgreich bekämpft.« Die Beschäftigten hätten mit ihrem Protest bewiesen, »dass sie sich nicht in einer scheinbaren Selbstverwaltung einhegen lassen, sonder weiter rebellisch für gute Bedingungen eintreten, für Pflegekräfte genauso wie für Menschen mit Pflegebedarf«.

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