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Lieber Rindfleisch exportieren als Rinder
Landtagsausschuss lässt sich von Verbraucherschutzministerin über Tiertransporte berichten
Werden Rinder im Lastkraftwagen transportiert, so müssen sie alle zwölf Stunden getränkt und alle 24 Stunden gefüttert werden. Nach 14 Stunden Fahrt am Stück ist eine einstündige Pause vorgeschrieben. Danach sind noch einmal 14 Stunden Fahrt erlaubt. So steht es in der EU-Verordnung 1/2005 über Tiertransporte innerhalb der Europäischen Union. Seit einem Grundsatzurteil des EU-Gerichtshofs im Jahr 2015 gelten die Regeln auch für Transporte in Drittstaaten.
Nun werden aber Rinder aus Brandenburg auch nach Usbekistan und in andere ferne Länder exportiert. Es ist die Frage, ob auf dem Weg beispielsweise in Russland überhaupt Versorgungsstellen existieren, an denen die Tiere sich ausruhen und mit allem Nötigen versehen werden können - und wenn die Stellen existieren, ob sie den EU-Anforderungen an den Tierschutz entsprechen.
Berichten der Fernsehsender ARD und RBB hat die Landtagsabgeordnete Marlen Block (Linke) entnehmen können, dass Rinder beim Transport über sehr lange Strecken extremen Strapazen ausgesetzt worden sind. Diese Rinder kamen demnach aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Die Tiertransporte seien nur über Brandenburg abgewickelt worden, weil andere Bundesländer sie nicht genehmigen. Hier werde augenscheinlich ein »Schlupfloch« ausgenutzt, und so sei Brandenburg zur Drehscheibe illegaler Tiertransporte geworden, meint Block am Mittwoch im Verbraucherschutzausschuss des Landtags. Sie fragt bei der zuständigen Ministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) nach.
»Ich muss sagen, diese Missstände nehme ich nicht hin, und sie berühren mich auch emotional«, antwortet Nonnemacher. Immerhin habe das Fernsehen schreckliche Bilder gesendet. 26 780 Rinder werden pro Jahr aus Brandenburg auf die Reise geschickt. Trotz aller Bemühungen, das zu ändern, sei die Zahl nicht rückläufig, sondern steige noch. Nur Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen führen gegenwärtig mehr Rinder aus.
Es sei aber ein »Gerücht«, dass Brandenburg erlaube, was andere Bundesländer nicht mehr zulassen, beteuert Nonnemacher. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien für alle gleich und jeder müsse sich daran halten. So hatte das Verwaltungsgericht Potsdam den Landkreis Teltow-Fläming verurteilt, einen umkämpften Tiertransport zu genehmigen. Die Amtstierärzte der Landkreise seien in einer schwierigen Lage, sagt Nonnemacher. Sie sollen bei einer Plausibilitätskontrolle von hier aus beurteilen, ob in 7000 oder 8000 Kilometern Entfernung geeignete Versorgungsstellen vorhanden sind. Die diesbezüglichen Informationen sind aber dürftig. So hieß es dieses Jahr erst, in Russland gebe es solche Stellen überhaupt nicht. Daraufhin empfahl das Verbraucherschutzministerium den Amtstierärzten, Tiertransporte nach Russland und durch Russland nicht mehr zu genehmigen - mit Ausnahme des Kaliningrader Gebiets, wo die Versorgung im nahen Polen erfolgen könnte. Dann gab es den Hinweis, es gebe doch eine Versorgungsstelle bei Smolensk und schließlich war sogar von sechs verschiedenen Stellen in Russland die Rede. Da das Ministerium vom Bund aber lediglich ein Fax weitergeleitet bekam, aus dem nicht ersichtlich war, wer die Mitteilung machte und ob er dazu befugt ist, bleiben Zweifel angebracht, wie Nonnemacher darlegt.
Nach Ansicht der Ministerin müsste die EU-Verordnung 1/2005 dringend novelliert werden. In den Text aufgenommen werden sollte etwa, dass unabhängige Institutionen Routen und Versorgungsstellen zertifizieren. Brandenburg habe bereits getan, was auf Landesebene möglich sei, versicherte Nonnemacher. So sei das Landesamt für Verbraucherschutz seit März angewiesen, Tiertransporte strenger zu kontrollieren. Was das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam betrifft, möchte das Ministerium ein Gutachten bei einer renommierten Fachkanzlei in Auftrag geben und es den Landkreisen zur Verfügung stellen.
Nonnemacher ist von Beruf Humanmedizinerin und keine Tierärztin. Sie hat aber eine Veröffentlichung der Bundestierärztekammer gelesen, aus der hervorgeht, dass deutsche Hochleistungskühe in der Sommerhitze von Usbekistan bei mehr als 40 Grad Celsius längst nicht mehr so viel Milch geben wie hierzulande. Bereits bei über 20 Grad Außentemperatur sinke die Menge Milch, die gemolken werden kann. In Saudi-Arabien sei es anders, aber da werden solche Kühe in klimatisierten Ställen gehalten. Da die exportierten Rinder im Ausland oft schnell im Schlachthaus landen, wäre es sicherlich sinnvoller, statt der lebenden Tiere das tiefgefrorene Rindfleisch zu exportieren. Wenn es jedoch tatsächlich um die Zucht gehe, könnte doch besser das Genmaterial versendet werden, so die Ministerin.
Derlei Äußerungen erregen das Missfallen des Landtagsabgeordneten Johannes Funke (SPD). Der gelernte Schäfer und Diplom-Agraringenieur war unter anderem Pressesprecher des Deutschen Bauernverbandes, bevor er 2019 ins Parlament einzog. Funke schaute sich in Groß Kreutz bei der vom Zuchtverband gegründeten Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH die Verladung des Viehs an. Er versichert, dort laufe es ordentlich ab. Die GmbH sei der größte Zuchtrinderexporteur in Brandenburg und man sollte es ihr nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon sei. Schließlich sei es kompliziert genug, mit Kühen und Milch Geld zu verdienen. Die Wege für den Export müssen offen gehalten werden, findet Funke. Er setzt hinzu, »in Watte verpackt, selbstverständlich« sollte das Vieh befördert werden. Nur in einer Hinsicht ist er mit der Verbraucherschutzministerin einer Meinung: »Tieren Leid zuzufügen ist ein Tabu.«
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