Autonomie hat die Lage verbessert
Selbstverwaltungskonzepte der Zapatisten in Chiapas tragen Früchte
Das II Treffen der zapatistischen Gemeinschaften mit den Völkern und Gemeinschaften der Welt ging am 28. Juli zu Ende. Unter den rund 3000 internationalen TeilnehmerInnen aus allen Kontinenten der Welt war auch Joanna Blum, Menschenrechtsaktivistin aus Oldenburg. Mit ihr sprach für ND Luz Kerkeling.
ND: Das II. Internationale Treffen der zapatistischen Gemeinden mit den Völkern der Welt wurde mit Spannung erwartet. Worüber wurde gesprochen?Blum: Die meisten Beiträge befassten sich mit der zapatistischen De-facto-Autonomie. Aus jeder Zone der fünf zapatistischen Caracoles, den Verwaltungs- und Kulturzentren der Zapatistas, wurde über die Umsetzung der Selbstverwaltung in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Bildungssystem und Frauenorganisierung sowie über die Selbstverwaltung durch die Räte der guten Regierung berichtet. Hier gibt es beeindruckende Fortschritte, die Situation der Menschen hat sich seit 1994 wirklich verbessert. Aber es gibt weiterhin viel Armut, viel Repression und natürlich auch interne Schwierigkeiten.
Gab es zwischen den Arbeitsgruppen Gelegenheit, einen wirklichen Kontakt zu den weiteren Teilnehmern aufzunehmen?
Ja! Gespräche ergaben sich beim Essen, in den Pausen oder bei den Festen. Die Menschen aus verschiedenen Kollektiven und Ländern hatten ein großes Interesse daran, was bei den jeweils anderen Aktivisten wichtig ist und in welchen Kämpfen sie stecken. So wurden viele Interviews untereinander gemacht, um diese für alternative Medien in den entsprechenden Heimatländern zu nutzen. Die mexikanischen Aktivisten befragten zum Beispiel die internationalen Besucher über deren Interesse am Zapatismus sowie über die politische Organisierung in ihren Staaten. Die internationalen Aktivisten wiederum interessierten sich stark für die »Andere Kampagne«, die von der Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) angestoßene Initiative zur Vernetzung aller linken Basisgruppen zur Durchsetzung einer antikapitalistischen Verfassung in Mexiko.
Wie war der Kontakt mit der sozialen Basis der EZLN vor Ort?
Kontakt mit den Indigenen der EZLN bestand auch, aber auf anderer Ebene. Die Zapatistas sind wegen der anhaltenden Militärbelagerung natürlich vorsichtig, Leuten, die sie nicht kennen, persönliche Dinge, zum Beispiel aus welcher Gemeinde sie kommen oder was sie zu einem bestimmten Sachverhalt denken, zu erzählen. Eine direkte Begegnung fand vor allem beim Tanzen statt - ganz ohne Alkohol, der bei den Zapatistas auf Initiative der Frauen verboten ist. Während des Treffens spielten jeden Abend Bands und der zur Tanzfläche umfunktionierte Sportplatz eines jeden Caracols war immer bis in die Nacht hinein von tanzenden Zapatistas und Besuchern bevölkert. Hier fanden viele Gespräche statt, die vor Jahren noch völlig undenkbar waren.
Aus welchen Ländern und aus welchen sozialen Spektren stammten die Teilnehmer?
Die mehr als 3000 Teilnehmer kamen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Spektren. Zum einen waren viele Menschen da, die die Zapatistas seit Jahren in ihrem Kampf begleiten und als Repräsentanten ihrer Gruppen angereist waren. Sie kamen von allen Kontinenten, doch soweit ich weiß, war Afrika nur mit einer Frau vertreten. Viele der mexikanischen Besucher kamen aus Mexiko-Stadt. Aber auch aus anderen Bundesstaaten waren Leute angereist, viele von ihnen Anhänger der »Anderen Kampagne«. Auch vom CNI, dem Nationalen Indigenen Kongress, waren Vertreter gekommen. Auffällig war, dass sehr viele junge Leute das Treffen besuchten. Was alle eint, ist der Basisbezug, das heißt die strikte Ablehnung etablierter Parteien und Regierungsfunktionäre. Dies ist auch der Unterschied zum Weltsozialforum.
Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Die Stimmung während des Treffens war sehr gut. Die Berichte der Zapatistas über ihre Arbeit waren hochinteressant. Obwohl ich einiges über die Bewegung weiß und auch schon mehrmals in Chiapas war, habe ich viel über die dortige Selbstorganisation dazugelernt. Ich bin zutiefst erstaunt, wie diese indigene Landbevölkerung es schafft, ein System ganz unabhängig vom Staat aufzubauen. Zum Beispiel die Organisierung der Bildung, die darauf auslegt ist, die Kinder als eigenständige Subjekte zu sehen und in der das Selbst-Lernen einen hohen Stellenwert hat. Ich weiß zwar, dass dieses fortschrittliche Konzept in vielen Dörfern noch nicht angewendet wird, aber ich denke, dazu braucht es noch Zeit. 13 Jahre Selbstorganisation sind noch keine lange Periode.
Wie geht es weiter?
Beim III. Internationalen Treffen, das im Dezember stattfinden wird, soll das alleinige Thema die zapatistische Frauenorganisierung sein. Die Zapatistas reagieren mit diesem Treffen auf das besondere Interesse der Zivilgesellschaft am Kampf der Frauen. Seit dem Aufstand 1994 hat sich in Bezug auf die Frauenrechte einiges bewegt. Im Revolutionären Frauengesetz wurde festgehalten, dass Frauen politische Ämter übernehmen dürfen oder die Anzahl ihrer Kinder selbst bestimmen können. Dies sind Änderungen, die für die indigenen Frauen zuvor nicht in Frage kamen. Männer sind zu dem Treffen übrigens auch eingeladen, dürfen aber nicht aktiv an den Foren teilnehmen.
Und wie sieht's auf internationaler Ebene aus?
Von einigen Besucherinnen aus europäischen Ländern wurden bereits Pläne geschmiedet: Wir sehen auch in Europa die Notwendigkeit. uns besser zu organisieren. Wir planen ein Frauen-Treffen, um uns zur gleichen Zeit des Treffens der zapatistischen Frauen über unsere Kämpfe gegen Patriarchat und Kapitalismus im Herzen der Bestie auszutauschen und voneinander zu lernen. Ein weiteres Ziel bleibt natürlich auch die Vernetzung zur weiteren Informations- und Solidaritätsarbeit in Bezug auf die zapatistische Bewegung.
Infos: rebeldiademujeres@gmail.comND: Das II. Internationale Treffen der zapatistischen Gemeinden mit den Völkern der Welt wurde mit Spannung erwartet. Worüber wurde gesprochen?
Blum: Die meisten Beiträge befassten sich mit der zapatistischen De-facto-Autonomie. Aus jeder Zone der fünf zapatistischen Caracoles, den Verwaltungs- und Kulturzentren der Zapatistas, wurde über die Umsetzung der Selbstverwaltung in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Bildungssystem und Frauenorganisierung sowie über die Selbstverwaltung durch die Räte der guten Regierung berichtet. Hier gibt es beeindruckende Fortschritte, die Situation der Menschen hat sich seit 1994 wirklich verbessert. Aber es gibt weiterhin viel Armut, viel Repression und natürlich auch interne Schwierigkeiten.
Gab es zwischen den Arbeitsgruppen Gelegenheit, einen wirklichen Kontakt zu den weiteren Teilnehmern aufzunehmen?
Ja! Gespräche ergaben sich beim Essen, in den Pausen oder bei den Festen. Die Menschen aus verschiedenen Kollektiven und Ländern hatten ein großes Interesse daran, was bei den jeweils anderen Aktivisten wichtig ist und in welchen Kämpfen sie stecken. So wurden viele Interviews untereinander gemacht, um diese für alternative Medien in den entsprechenden Heimatländern zu nutzen. Die mexikanischen Aktivisten befragten zum Beispiel die internationalen Besucher über deren Interesse am Zapatismus sowie über die politische Organisierung in ihren Staaten. Die internationalen Aktivisten wiederum interessierten sich stark für die »Andere Kampagne«, die von der Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) angestoßene Initiative zur Vernetzung aller linken Basisgruppen zur Durchsetzung einer antikapitalistischen Verfassung in Mexiko.
Wie war der Kontakt mit der sozialen Basis der EZLN vor Ort?
Kontakt mit den Indigenen der EZLN bestand auch, aber auf anderer Ebene. Die Zapatistas sind wegen der anhaltenden Militärbelagerung natürlich vorsichtig, Leuten, die sie nicht kennen, persönliche Dinge, zum Beispiel aus welcher Gemeinde sie kommen oder was sie zu einem bestimmten Sachverhalt denken, zu erzählen. Eine direkte Begegnung fand vor allem beim Tanzen statt - ganz ohne Alkohol, der bei den Zapatistas auf Initiative der Frauen verboten ist. Während des Treffens spielten jeden Abend Bands und der zur Tanzfläche umfunktionierte Sportplatz eines jeden Caracols war immer bis in die Nacht hinein von tanzenden Zapatistas und Besuchern bevölkert. Hier fanden viele Gespräche statt, die vor Jahren noch völlig undenkbar waren.
Aus welchen Ländern und aus welchen sozialen Spektren stammten die Teilnehmer?
Die mehr als 3000 Teilnehmer kamen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Spektren. Zum einen waren viele Menschen da, die die Zapatistas seit Jahren in ihrem Kampf begleiten und als Repräsentanten ihrer Gruppen angereist waren. Sie kamen von allen Kontinenten, doch soweit ich weiß, war Afrika nur mit einer Frau vertreten. Viele der mexikanischen Besucher kamen aus Mexiko-Stadt. Aber auch aus anderen Bundesstaaten waren Leute angereist, viele von ihnen Anhänger der »Anderen Kampagne«. Auch vom CNI, dem Nationalen Indigenen Kongress, waren Vertreter gekommen. Auffällig war, dass sehr viele junge Leute das Treffen besuchten. Was alle eint, ist der Basisbezug, das heißt die strikte Ablehnung etablierter Parteien und Regierungsfunktionäre. Dies ist auch der Unterschied zum Weltsozialforum.
Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Die Stimmung während des Treffens war sehr gut. Die Berichte der Zapatistas über ihre Arbeit waren hochinteressant. Obwohl ich einiges über die Bewegung weiß und auch schon mehrmals in Chiapas war, habe ich viel über die dortige Selbstorganisation dazugelernt. Ich bin zutiefst erstaunt, wie diese indigene Landbevölkerung es schafft, ein System ganz unabhängig vom Staat aufzubauen. Zum Beispiel die Organisierung der Bildung, die darauf auslegt ist, die Kinder als eigenständige Subjekte zu sehen und in der das Selbst-Lernen einen hohen Stellenwert hat. Ich weiß zwar, dass dieses fortschrittliche Konzept in vielen Dörfern noch nicht angewendet wird, aber ich denke, dazu braucht es noch Zeit. 13 Jahre Selbstorganisation sind noch keine lange Periode.
Wie geht es weiter?
Beim III. Internationalen Treffen, das im Dezember stattfinden wird, soll das alleinige Thema die zapatistische Frauenorganisierung sein. Die Zapatistas reagieren mit diesem Treffen auf das besondere Interesse der Zivilgesellschaft am Kampf der Frauen. Seit dem Aufstand 1994 hat sich in Bezug auf die Frauenrechte einiges bewegt. Im Revolutionären Frauengesetz wurde festgehalten, dass Frauen politische Ämter übernehmen dürfen oder die Anzahl ihrer Kinder selbst bestimmen können. Dies sind Änderungen, die für die indigenen Frauen zuvor nicht in Frage kamen. Männer sind zu dem Treffen übrigens auch eingeladen, dürfen aber nicht aktiv an den Foren teilnehmen.
Und wie sieht's auf internationaler Ebene aus?
Von einigen Besucherinnen aus europäischen Ländern wurden bereits Pläne geschmiedet: Wir sehen auch in Europa die Notwendigkeit. uns besser zu organisieren. Wir planen ein Frauen-Treffen, um uns zur gleichen Zeit des Treffens der zapatistischen Frauen über unsere Kämpfe gegen Patriarchat und Kapitalismus im Herzen der Bestie auszutauschen und voneinander zu lernen. Ein weiteres Ziel bleibt natürlich auch die Vernetzung zur weiteren Informations- und Solidaritätsarbeit in Bezug auf die zapatistische Bewegung.
Infos: rebeldiademujeres@gmail.com
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