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Tag X für Lukaschenko

Der belarussische Präsident reist am Montag zu Wladimir Putin nach Sotschi

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Als »Marsch der Helden« bezeichnete die belarussische Opposition diesmal ihre wöchentliche Sonntagsaktion, die nun zum fünften Mal in Folge stattfindet. Die Menschen sollen sich nicht nur in Minsk, sondern in allen Städten, wo es geht, versammeln. Als Helden sind dabei die Menschen gemeint, die den Sicherheitsbehörden um den umstrittenen Präsidenten Alexander Lukaschenko Widerstand leisten. Besonders gemeint ist Marija Kolesnikowa, eine der Anführerinnen der Opposition, die Anfang der Woche unfreiwillig in die Ukraine gebracht werden sollte. Kolesnikowa hat aus Protest vor dem Grenzübergang ihren Pass zerrissen, und befindet sich derweil in einem Minsker Untersuchungsgefängnis.

Das einzige Mitglied aus dem Präsidiums des Koordinierungsrates der Opposition, das noch auf freiem Fuß und in Belarus ist, bleibt nun die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Aber nicht nur gegen prominente Oppositionelle, sondern auch gegen die normale Bevölkerung gehen die belarussischen Sicherheitsbehörden immer stärker vor. Im Rahmen eines Frauenmarsches am Samstag wurden etwa 70 Menschen auf brutalste Art festgenommen. Trotzdem haben sich in Minsk laut der unabhängigen Nachrichtenseite TUT.by an diesem Sonntag wieder rund 10 000 Teilnehmerinnen versammelt, die Lukaschenkos Wahlherausforderin Swetlana Tichanowskaja als ihre Präsidentin feierten und ihre Unterstützung an der festgenommene Kolesnikowa bekundeten.

Die Strategie der Sicherheitskräfte ist es dabei offensichtlich, die Demonstranten aus dem Minsker Stadtzentrum zu jagen. Die Proteste zumindest kleinzuhalten, ist für Lukaschenko vor allem gerade jetzt wichtig, weil er am Montag nach Russland fliegt, um im südrussischen Sotschi seinen Amtskollegen Wladimir Putin zu treffen. Der Kreml soll vorher am Sonntag den Eindruck bekommen, der seit 1994 regierende Autokrat habe die Lage unter Kontrolle. Umso größer will aber auch die Opposition zeigen, dass dem nicht so ist. Lukaschenkos kommender Russland-Besuch, der von beiden Seiten im Vorfeld kleingeredet wird, ist an Wichtigkeit für den weiteren Verlauf der politischen Krise in Belarus jedoch nicht zu überbieten. Denn die Situation gleicht einem Patt. Die Aktionen der Opposition sind ähnlich groß und friedlich wie am Anfang. Lukaschenko hält den Machtapparat inklusive aller wichtigen Sicherheitsorgane aber weiterhin fest in seiner Hand. Die Position Moskaus, das bisher überwiegend verbal Lukaschenko unterstützt, könnte entscheidend werden. Es kann dabei jedoch in beide Richtungen gehen.

»Es ist nur ein Arbeitsbesuch«, meint der Kremlsprecher Dmitrij Peskow. Laut ihm sollen in Sotschi keine Papiere unterschrieben werden, die von vielen befürchtete Fusion der Staaten im Rahmen des bereits seit über 20 Jahren existierenden Unionsstaates soll damit ausdrücklich vom Tisch sein. »Das ist heute nicht mehr möglich«, bekräftigt Lukaschenko, obwohl Russland in den vergangenen zwei Jahren auf die Vertiefung der gegenseitigen Integration offen bestanden hat. Jegliche Abgabe der staatlichen Souveränität wäre für Lukaschenko keine Option, dies würde die Menschen auf den Straßen nur zusätzlich verärgern.

Der Preis, den Lukaschenko für die Unterstützung Moskaus - etwa dafür, dass die von Putin angekündigte Polizeireserve für Belarus tatsächlich vor Ort erscheint - anscheinend bereit zu zahlen ist, wäre wirtschaftlicher Natur. Dabei ginge es um die Privatisierung von profitablen staatlichen Unternehmen oder um den lukrativen Transit der belarussischen Waren nicht über Litauen und Lettland, sondern über Russland. Der politische Preis wäre wohl eine neue Verfassung, die das Parlament stärken würde, und eventuell sogar Neuwahlen. Denn auch aus der Sicht Moskaus müssen etliche Veränderungen her. Das Risiko für den Kreml ist allerdings, dass die Proteste, deren prominenteste Figuren durchaus russlandfreundlich agierten, immer mehr gegen Moskau ausgerichtet werden. Wegen der bisherigen Unterstützung an Lukaschenko fühlen sich viele auf den Straßen von Minsk von Russland verraten - und das in einem Land, in dem sich stets drei Viertel der Bevölkerung für die Freundschaft mit Moskau aussprechen. Und diese Menschen gehen durchaus auch zu den Sonntagsdemos in Minsk.

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