Lokführer auf Konfrontationskurs

Gewerkschaftschef Claus Weselsky lehnt Beitrag des Zugpersonals zur Sanierung des Konzerns ab

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) lehnt die Teilnahme an Verhandlungen über einen »Sanierungstarifvertrag« mit der Deutschen Bahn und ihrem Arbeitgeberverband AGV MOVE kategorisch ab. »Wir haben gültige Tarifverträge bis Februar 2021 und sehen keinen Anlass, Abstriche beim Zugpersonal zuzulassen«, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky Ende vergangener Woche. Das von der Unternehmensspitze, dem Bundesverkehrsministerium und der dem DGB angehörenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft getragene »Bündnis für unsere Bahn« sei in keiner Weise geeignet, die Probleme des bundeseigenen Konzerns auch durch Lohnverzicht zu lösen.

Der Global Player DB, die Konzernholding, »ein überbordender Verwaltungsapparat und tausende von Projekten, die sich nicht mit dem Eisenbahnsystem befassen«, seien eben nicht systemrelevant, wie behauptet werde, so Weselsky weiter. Nicht die Corona-Pandemie und schon gar nicht das Zugpersonal seien verantwortlich »für die 30 Milliarden Euro Schulden der DB, von denen ein großer Teil im Ausland verzockt wurde, für die bilanziellen Milliardenverluste des DB-Konzerns, die schon vor Corona da waren, und für die falsche Struktur des DB-Konzerns resultierend aus der ehemaligen Aufgabenstellung, an die Börse zu gehen«. Um Schienenverkehr als Daseinsvorsorge zu gewährleisten, attraktiver zu machen und die Klimaziele zu erreichen, bedürfe es eines »grundlegend neuen Ansatzes«.

In einem Schreiben an den AGV MOVE bekräftigt die GDL, dass es keinen pauschalen »Sanierungsbeitrag« der von ihr vertretenen Berufsgruppen geben werde, »sei er finanzieller oder anderer materieller Natur«. Verwiesen wird auch darauf, dass keines der 54 Schienenverkehrsunternehmen, mit der die Gewerkschaft ebenfalls Tarifverträge abgeschlossen hat, ein derartiges Ansinnen an die GDL herangetragen habe. Ferner wird in dem Schreiben beklagt, dass GDL-Mitglieder bei der DB »tagtäglich nachweislich um ihre Rechte gebracht werden«, etwa bei den tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeitregelungen, beim Entgeltausgleich für Überstunden und bei den Zulagen für Beschäftigte, die zeitweise in der Ausbildung tätig sind. Das zeige, »dass dieser Konzern nicht einmal im Entferntesten dazu bereit ist, sich an getroffene Vereinbarungen zu halten«. Die GDL halte jedenfalls an der gemeinsam vereinbarten Laufzeit des geltenden Tarifvertrages bis 28. Februar 2021 und den darin geregelten Inhalten fest. Die Forderungen für die nächste Tarifrunde werde man den Arbeitgeberverband »zu gegebener Zeit mitteilen«.

Außerdem wandte sich die GDL in einem offenen Brief unter anderem an das Bundesverkehrsministerium und die Fraktionsvorstände und Verkehrspolitiker im Bundestag, verbunden mit der Aufforderung, die eigentlichen Strukturprobleme des Konzerns grundlegend in Angriff zu nehmen. Ein Kernstück einer Eisenbahnstrukturreform müsse die Zusammenlegung der Infrastrukturunternehmen (DB Netz, DB Station&Service, DB Energie und Werkstätten) in einer Gesellschaft ohne Gewinnabführungs- oder Dividendenpflicht sein. Eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur diene der Daseinsvorsorge und müsse daher an einer Gemeinwohlverpflichtung ausgerichtet werden.

Die kategorische Ablehnung eines Sanierungstarifvertrages seitens der GDL birgt auch Zündstoff für das Tarifgefüge bei der Bahn. Falls die EVG mit der Bahn einen »Konsolidierungsbeitrag« auch für jene Berufsgruppen vereinbaren sollte, für die auch die GDL vertretungsberechtigt ist, würde der alte, nur mühsam oberflächlich befriedete Konflikt um die »Tarifeinheit« in dem Unternehmen erneut aufbrechen. Aber offensichtlich ist die GDL nicht bereit, ihre Mitglieder die Zeche für das jahrzehntelange Missmanagement des Konzerns und der politisch dafür Verantwortlichen zahlen zu lassen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.