Die globale Erdbeermarmelade

Derzeit kommt frischer Brotaufstrich in die Läden. Die Früchte stammen aus aller Herren Länder

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Bio« sollte auch regional sein, meinen viele Verbraucher. Doch laut einer Untersuchung der Zeitschrift »Ökotest« versteht nur ein einziger Hersteller in Deutschland unter Nachhaltigkeit auch »regionale Produktion«: die Firma Zwergenwiese. In Erdbeeraufstrichen anderer Produzenten sind Früchte drin, die in Spanien, Polen oder Serbien, in Bulgarien und der Türkei, in Marokko oder Ägypten geerntet wurden. Lange habe man ebenfalls im Ausland Erdbeeren zugekauft, erklärt eine Sprecherin von Zwergenwiese. Dann habe der Geschäftsführer an einer Blindverkostung teilgenommen und war vom Geschmack regionaler Früchte begeistert. »Wir wollen kurze Wege und die regionale Wirtschaft fördern«, heißt es nun bei Zwergenwiese. Ganz kurz sind die Wege aber auch hier nicht: Die Firma sitzt inmitten einer traditionellen Erdbeer-Region im Landkreis Schleswig-Flensburg, doch um genügend Früchte zu bekommen, bedarf es eines größeren Netzwerkes, das auch Hamburg und Teile Niedersachsens sowie Mecklenburgs umfasst.

Wer es in hiesigen Städten gewohnt ist, an bald jeder Straßenecke frische regionale Erdbeeren kaufen zu können, mag sich wundern: Die Früchte sind in Deutschland ein knappes Gut. Die Anbaufläche beträgt gerade mal 13 000 Hektar. Im kleineren Nachbarland Polen bedecken Erdbeerplantagen hingegen 50 000 Hektar.

Doch nicht nur die Biokonkurrenz von Zwergenwiese geht fremd. Auch die schätzungsweise 150 konventionellen Hersteller, die ihre Produkte in Supermärkten und Discountern anbieten, beziehen ihre Früchte nahezu vollständig aus dem Ausland. Warum das so ist, erläutert Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer: Die Pflückkosten machten rund die Hälfte der Gesamtkosten von Erdbeeren aus. Die Pflücker erhalten üblicherweise den gesetzlichen Mindestlohn. 9,35 Euro sind das in Deutschland, in Polen dagegen 3,50 Euro und in Marokko und Ägypten noch deutlich weniger.

Da scheint es naheliegend zu sein, dass deutsche Hersteller lieber ausländische Früchte in ihre Gläser füllen. Doch unterm Strich ist der Nutzen für sie minimal: Bei einem Glas, das im Supermarkt 2,50 Euro kostet, macht es gerade mal fünf Cent aus, rechnet Schumacher vor. Dies bezieht sich auf die Arbeitskosten; tatsächlich ist der Kostenvorteil wegen des langen Transports und der aufwändigeren Verarbeitung noch geringer.

Freilich erklärt der Preis nicht alles. »Der Anbau von Erdbeeren in Deutschland reicht bei weitem nicht aus, um die Produktion zu decken«, sagt Christoph Freitag, Sprecher des Bundesverbandes der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK). Traditionelle Hauptlieferländer seien Polen, Marokko und auch China. Durch gezieltes Mischen von Beeren aus verschiedenen Lieferländern erreichten die Hersteller, dass die Erdbeermarmelade, so der BOGK-Sprecher, »immer gleich schmeckt«. Außerdem erlaube der Einsatz von tiefgekühlter Rohware eine Produktion, die rund ums Jahr läuft und dadurch eine gleichmäßige Auslastung der Anlagen und konstante Mitarbeiterzahlen ermögliche.

In Müsli oder Joghurt stecken stattdessen oft gefriergetrocknete Früchte drin. Das Verfahren ist energieintensiv. Nahezu alle Früchte werden auf dem Weltmarkt eingekauft. Die verarbeitende Industrie wehrt sich daher seit langem erfolgreich gegen eine verpflichtende Herkunftsangabe. Wo also »Erdbeeren aus Deutschland« nicht draufsteht, ist auch garantiert keine Erdbeere von hiesigen Feldern drin.

Unberücksichtigt bleiben weitere Kosten beim Anbau, die sich auch nicht in Cent und Euro beziffern lassen. Generell zählen die empfindlichen Erdbeeren zu den stärker mit Pestiziden belasteten Früchten. Vor allem in Südeuropa und Nordafrika werden sie in großen Monokulturen auf kargen Böden produziert. »Der Wasserverbrauch, der Dünger- und Pflanzenschutzmitteleinsatz sind hoch«, heißt es beim Bundeszentrum für Ernährung in Bonn. Für die Auswahl der Sorten sei besonders ihre Tauglichkeit für den Transport und weniger der Geschmack ausschlaggebend.

Branchenkenner weisen vor diesem Hintergrund auf mögliche höhere Schadstoffbelastungen in Konfitüren und Fruchtaufstrichen hin. Diese Einschätzung erhärten jüngste Untersuchungen, die das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im April dieses Jahres veröffentlichte. In den Proben mit Früchten aus Deutschland wurden kaum Höchstgehaltsüberschreitungen festgestellt. In 34 Proben von Erdbeeren aus Spanien, einem weiteren wichtigen Lieferland, waren es dagegen immerhin 18. Allerdings lagen die Überschreitungen im noch zulässigen (stochastischen) Streubereich. Daher durfte das Amt nicht eingreifen.

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