Hemmschwelle für Kriegseinsätze sinkt

Kritiker von bewaffneten Drohnen fürchten, dass die Bundeswehr sich auf gefährliche Szenarien vorbereitet

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundeswehr will seit Jahren Kampfdrohnen zu ihren militärischen Fähigkeiten hinzufügen. Nun bereitet man die Einführung vor und sucht per Anzeige nach Drohnenbedienern. »Sie führen Ausbildungs- und Einsatzflüge zusammen mit einem Waffensystemoffizier durch«, heißt es in der Stellenbeschreibung, mit der die Bundeswehr nach Drohnenpilot*innen sucht.

Doch noch hat der Bundestag der Beschaffung nicht zugestimmt. Das Thema soll zügig und möglichst vor dem Wahlkampf abgeräumt werden. Die Idee, solche Drohnen zu nutzen, gärt seit rund zehn Jahren in Befürworterkreisen. Aus den Leasingverträgen der israelischen Heron-Drohnen geht hervor, dass eine Bewaffnungsoption geplant ist. »Die Bundeswehr plant offensichtlich auf allen Ebenen ganz konsequent die Einführung bewaffneter Drohnen«, sagte Claudia Haydt, die im Linke-Parteivorstand Mitglied ist. Ein weiteres Indiz dafür ist die in der Stellenanzeige aufgeführte Zusammenarbeit der Drohnenpilot*innen mit einem Waffensystemoffizier. »Die Zusammenarbeit ist überhaupt nur notwendig, wenn es bewaffnete Drohnen gibt«, so Haydt.

Gemeinsam mit Vertretern der Zivilgesellschaft, die sich gegen Kampfdrohnen aussprechen, und Bundestagsabgeordneten von SPD, Linkspartei und Grünen erörterte sie das Thema in einer Onlineveranstaltung, zu der die Initiative IPPNW am Mittwoch eingeladen hatte. Bei den Mitgliedern handelt es sich um Ärzte, die sich gegen Krieg engagieren und soziale Verantwortung wahrnehmen.

Seitens der Bundeswehr sieht man das Kampfmittel als unerlässlich für den Schutz deutscher Soldat*innen in Kriegseinsätzen an. Doch die Begründungen werden dünner. »Seit 2014 sind keine Bundeswehrsoldaten mehr in Afghanistan gefallen«, sagte Elsa Rassbach von der Initiative Code Pink. Anfragen des Bundestages belegen, dass Soldaten auch in den Jahren davor nur selten in Kampfhandlungen starben, die mit einem Drohneneinsatz hätten begleitet werden können. »Bewaffnete Drohnen schützen nicht gegen Selbstmordattentate«, stellt Rassbach fest.

Sie befürchtet, dass sich die Bilanz gefallener Soldat*innen mit der Einführung von Kampfdrohnen wieder rasch nach oben entwickeln könnte. Der Grund: Mit dem vermeintlichen Schutz durch Kampfdrohnen werden die möglichen Einsatzszenarien wieder gefährlicher für Soldat*innen. Geht es um die Auswirkungen der Kampfdrohneneinsätze auf die Bevölkerung im Einsatzland, stellen sich die Befürworter taub. Nach Ansicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Brunner, der sich als Drohnenskeptiker bezeichnet, findet rund um die Drohneneinführung eine verantwortungsvolle Politik statt, die er als Mitglied im Rechtsausschuss und Verteidigungsausschuss erlebe. Brunner hielt den Podiumsgästen vor, sie hätten eine vorgefasste Meinung beim Thema Drohnen, von der sie nicht abrücken würden. Bei anderen »robusten Einsätzen« würde auch nicht diskutiert, ob Mörser, Raketen oder Bomben eingesetzt werden.

Seine Bundestagskollegin von den Grünen, Katja Keul, war weniger entspannt. Aus ihrer Sicht soll nun auf Druck der Bundesregierung eine Debatte allein aus taktischen Gründen stattfinden. Drohnen sind nach ihrer Ansicht überwiegend völkerrechtswidrig eingesetzt worden. Zwar beteuere die Bundesregierung, sich an das Völkerrecht halten zu wollen, doch Keul ist skeptisch. »Mein Vertrauen ist zu oft erschüttert worden«, sagte sie und verwies auf die nicht lange gültige Absage von Vorgängerregierungen, Teil einer »Koalition der Willigen« zu sein.

Bislang habe die Bundeswehr nicht belegt, wo sich durch das bisherige Fehlen von Drohnen Einsatznachteile ergeben haben. Unklar ist auch, wo Partnerarmeen die Drohnen einsetzen, da die Drohneneinsätze nicht durch die Armee, sondern überwiegend durch die Geheimdienste vorgenommen werden. Nach Ansicht von Keul werden auch die Stützpunkte, in denen die Auswertung von Kampfdrohnen stattfindet, zu legitimen Zielen in einem eventuellen Krieg. Diese liegen aktuell auch in Deutschland.

Für die Linksfraktion warnte Andrej Hunko davor, dass mit dem neuen Kampfmittel die Hemmschwelle für die Teilnahme an internationalen Kriegseinsätzen weiter sinken würde. Aktuell ist die Bundeswehr in Mali und Afghanistan in der Nähe solcher Kriegseinsätze zu finden, nicht aber im Schwerpunkt tätig. »Ich finde, man sollte auf EU-Ebene einen Verzicht auf die Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen vereinbaren«, sagte Hunko. Er sprach sich zudem für die Schließung der US-Luftwaffenbasis in Ramstein aus, von der aus US-Drohneneinsätze gesteuert werden.

Am Montag, dem Weltfriedenstag der Uno, wollen unterschiedliche Gruppen auch gegen Kampfdrohnen demonstrieren. Die Heidenheimer Friedensgruppe hatte einen Appell an die SPD-Vorsitzende Saskia Esken gerichtet. Die Antwort viel ernüchternd aus: Derzeit folgt die SPD-Spitze den Argumenten der Drohnenbefürworter.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!