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Unsichtbare Flüchtlingsdramen
Eritreer demonstrieren in Berlin für die Einreise ihrer Familien nach Deutschland
Zu einer ersten Demonstration eritreischer Flüchtlinge im Juli waren mehr als 1000 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin gekommen, um für den Nachzug ihrer Familien zu demonstrieren. Es waren emotionale Bilder, als überwiegend männliche Demonstranten im Chor riefen »Ich vermisse meine Familie.« Sie zeigten Transparente mit Fotos ihrer Lieben oder mit Aufschriften wie »Ich vermisse euch.« Doch das Auswärtige Amt hat weder den Brief beantwortet, den die Initiatoren der Demo dort übergeben hatten, noch seine Praxis im Umgang mit dem Familiennachzug geändert. Deshalb haben sie für Samstag zu einer weiteren Kundgebung aufgerufen.
Zu denen, die erneut teilnehmen wollen, gehört Kiflom K. aus Berlin. Der Familienvater wartet seit 2015 auf seine Frau und die drei Kinder, die in Eritreas Nachbarland Äthiopien leben. Oder Mehari Tsegay, der seit 2014 in Berlin lebt und dessen Frau und zwei Kinder seit 2016 in Äthiopien darauf warten, zu ihm reisen zu dürfen. Die Flucht von Eritreas Nachbarstaaten aus über die Sahara, den Bürgerkriegsstaat Libyen und das Mittelmeer ist so gefahrvoll, dass oft die Männer allein sie wagen. Gefahren sind beispielsweise, dass ihnen in Afrika gegen ihren Willen Organe entnommen werden, dass man in libyschen Folterlagern landet oder im Mittelmeer ertrinkt. Frauen und Kinder warten dann in Äthiopien oder Sudan auf die Familienzusammenführung. »Die Eritreer wollen wegen der ausbleibenden Reaktion des Auswärtigen Amtes den Druck erhöhen und ihren Protest sichtbar auf die Straßen bringen«, sagt Martina Mauer vom Berliner Flüchtlingsrat, der die Demonstration unterstützt.
Nach Angaben der Initiatoren warten derzeit 1200 Flüchtlinge aus Eritrea in Deutschland darauf, ihre Familien nachholen zu können, oft seit Jahren. Wenn sie Asyl erhalten, und das ist wegen der katastrophalen Menschenrechtssituation im »Nordkorea Afrikas« die Regel, haben sie ein Recht auf Familiennachzug. Praktisch sieht es anders aus. Nach offiziellen Angaben der Bundesregierung und internationaler Organisationen wartet man zuerst sechs bis zwölf Monate auf die Registrierung beim UNHCR in Eritreas Nachbarstaaten und anschließend zwölf Monate auf einen Termin bei der deutschen Botschaft, um den Familiennachzug überhaupt beantragen zu können. Für den Lebensunterhalt der Frauen und Kinder kommen in dieser Zeit ihre Männer in Deutschland auf, die sich dafür oft hoch verschulden und auch psychisch unter der Trennung leiden.
»Dann vergehen viele weitere Monate, bis die Anträge bearbeitet werden. Sehr häufig scheitert der Familiennachzug schließlich an den unzumutbaren und unerfüllbaren Anforderungen, die die deutschen Botschaften an die Nachweise der familiären Bindung und Identität der Angehörigen stellen«, heißt es im Aufruf zur Demonstration. Das liegt daran, dass in Eritrea Geburten und Hochzeiten in aller Regel nicht staatlich, sondern nur kirchlich registriert werden. Die Antragsteller können also nur kirchliche Geburts- und Eheurkunden vorlegen. Doch die erkennt das Auswärtige Amt nicht an, weil die Konsularbeamten dazu nicht qualifiziert seien, heißt es in dessen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken.
Will man eine Ehe oder eine Geburt vom Ausland aus beim eritreischen Staat nachbeurkunden lassen, muss man auf den eritreischen Botschaften für die Zeit ab dem Verlassen des Landes zwei Prozent des Einkommens als sogenannte »Diasporasteuer« zahlen. Ohne diese Steuer gibt es keine Dokumente. Flüchtlinge nennen es unzumutbar, ihren Verfolgerstaat auch noch zu finanzieren und erwarten, dass das deutsche Auswärtige Amt sich bewegt und nichtstaatliche Dokumente anerkennt sowie die Anträge auf Familiennachzug prioritär bearbeitet. Diese Forderung unterstützen Grüne und Linke im Bundestag sowie die Diakonie.
Erschwerend kommt hinzu, dass in Äthiopien, wo die meisten der Frauen und Kinder der in Deutschland wartenden Männer leben, die politische Lage seit Juli instabiler geworden ist. »Unsere Familien sind stark davon betroffen, mussten ihre Wohnungen verlassen«, sagt Mehari Tsegay. Äthiopien liegt so weit weg von Europa, dass die Flüchtlingsdramen dort für uns unsichtbar bleiben. Für viele eritreische Betroffene leider nicht: »Meine Kinder haben keine Kindheit. Sie können nicht zur Schule gehen. Sie müssen betteln, um zu überleben«, sagt Kiflom K.
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