Fahrgäste sollen mehr zahlen

Brandenburgs Linksfraktion scheitert mit Vorstoß gegen Fahrpreiserhöhung

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Langsam füllen sich die Busse und Bahnen wieder. Auf dem Höhepunkt der Coronakrise beförderten die Verkehrsbetriebe in Brandenburg teilweise nur 30 Prozent der Fahrgäste, die in normalen Zeiten mit dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs sind. Viele Menschen stiegen nicht ein, weil sie eine Ansteckung mit dem Coronavirus fürchteten. Schüler fuhren nicht zum Unterricht. Beschäftigte pendelten nicht ins Büro, sondern arbeiteten im Homeoffice.

Insgesamt etwa 114 Millionen Euro Einnahmen aus dem Fahrscheinverkauf entgingen den Verkehrsbetrieben - und sie hatten zusätzlich höhere Ausgaben, weil sie beispielsweise Busfahrer so gut es ging vor Infektionen schützen mussten. Die Krise ist noch nicht vorüber. Die Fahrgastzahlen liegen nun bei etwa 70 bis 90 Prozent des Gewohnten, erklärte Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) neulich. Dabei hat sich die rot-schwarz-grüne Koalition doch vorgenommen, eine Verkehrswende einzuleiten. Mehr Leute sollen das Auto stehen lassen und stattdessen Bus und Bahn benutzen.

Dieses Ziel werde aber nicht zu erreichen sein, wenn zum 1. Januar 2021 im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) schon wieder die Fahrpreise erhöht werden, nachdem dies bereits am 1. Januar 2020 geschehen sei, warnte der Landtagsabgeordnete Christian Görke (Linke). Das wäre das »falsche Signal«. Görke beantragte im Parlament eine Nullrunde. Nach seinen Informationen wird eine Preiserhöhung von 1,98 bis 2,4 Prozent anvisiert. Vier bis sechs Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen würde das bringen. Angesichts von 1,9 Milliarden Euro Kredit, die das Land Brandenburg im Jahr 2021 aufnehmen wolle, seien das Peanuts. Das Land sollte den Verkehrsbetrieben die Summe spendieren, damit die Fahrpreise nicht angehoben werden müssen, findet Görke.

Doch der Landtag lehnte das Ansinnen am Freitag ab. Mit der Linksfraktion stimmte nur die AfD. Man hätte sachlich darüber diskutieren können, wenn Görke verraten hätte, wo er das Geld hernehmen wolle, meinte der Abgeordnete Steeven Bretz (CDU). Dass Görke dies nicht getan habe, sei »ein Armutszeugnis« für den ehemaligen Finanzminister. Görke hatte lediglich gesagt: »Ich bin bereit, Ihnen Vorschläge für Umschichtungen zu machen, wenn Sie das wollen.«

Die Freien Wähler enthielten sich der Stimme. »Früher oder später werden wir im Landeshaushalt sparen müssen, bis es knirscht«, erklärte der Abgeordnete Philip Zeschmann. Ihm gefallen Preiserhöhungen auch nicht, aber die Fahrscheine sollten ja nur geringfügig teurer werden. Man müsse helfen, wo die Not am größten sei. Es sei jetzt vordringlich, Arbeitsplätze zu retten. Zeschmann rügte wie der CDU-Politiker Bretz, der Vorstoß von Görke sei »populistisch«.

Verkehrsstaatssekretär Rainer Genilke (CDU) erläuterte, wie es seit dem Jahr 2014 im Verkehrsverbund fast automatisiert zu Preisanpassungen kommt. Der VBB orientiert sich dabei an den Verbraucherpreisen und daran, was Strom und Kraftstoff kosten. Nicht berücksichtigt werden die Personalkosten. Für die Tarifverhandlungen steht im Raum, dass Bus- und Straßenbahnfahrer künftig 4,8 Prozent mehr Lohn erhalten sollen. Genilke zerstörte die Illusion, Brandenburg könnte die Deckungslücke mit übrig gebliebenen Mitteln vom Bund schließen. Tatsächlich bekomme Brandenburg bis zu 132 Millionen Euro von den 2,5 Milliarden Euro ab, die der Bund für die Rettung der coronabedingt ins Schleudern geratenen Verkehrsbetriebe zur Verfügung stellt. Doch es werde keinen Euro mehr geben, als tatsächliche Verluste gemeldet sind. Was übrig bleibe, fließe zurück in den Topf, um eventuell an andere Bundesländer zu gehen, in denen der Bedarf womöglich größer sei. »Eine Verkehrswende schließt nicht aus, dass es am Ende mehr Geld kosten wird«, stellte Genilke klar. »Wir machen unseren öffentlichen Personennahverkehr nicht besser mit weniger Geld, sondern besser mit mehr Geld.«

Die Ticketpreise werden im Verkehrsverbund »jedes Jahr in einem normalen Regelverfahren überprüft«, bestätigte VBB-Sprecher Joachim Radünz. Der Aufsichtsrat werde sich am 30. September damit befassen. »Beratungen und Entscheidungen im Aufsichtsrat können und dürfen wir nicht vorgreifen.«

Den Brandenburger Fahrgästen bleibt im Moment nur die Hoffnung, vielleicht durch die Berliner Landespolitik vor höheren Fahrpreisen bewahrt zu werden. Denn in der rot-rot-grün regierten Hauptstadt sind Linke und Grüne dagegen, die Tickets teurer zu machen. Das waren sie auch schon vor einem Jahr. Damals führte das allerdings dazu, dass beispielsweise die Tickets für den Berliner Tarifbereich AB nur wenig teurer geworden sind. Doch beim Tarifbereich C, der für das brandenburgische Umland der Hauptstadt gilt, wurde ordentlich zugelangt.

»Die Sorge eines falschen Signals an die Fahrgäste ist berechtigt«, räumte der Landtagsabgeordnete Clemens Rostock (Grüne) ein. Doch während die Koalitionsfraktionen in Berlin ihren Streit darüber via Presse öffentlich austragen, geschehe dies in Brandenburg nicht. Dabei gebe es hier durchaus Nuancen in dem, was SPD, CDU und Grüne über die Angelegenheit denken. »Der Verkehrsminister weiß Bescheid.«

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