Sackgasse Sozialdumping

Nicolas Šustr über die Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

Für Streiks ist aus Sicht der Betroffenen nie der richtige Zeitpunkt. Das beweist auch der am Dienstag anstehende deutschlandweite Warnstreik im Nahverkehr. Denn der Gewerkschaft Verdi werden schwere moralische Vorwürfe gemacht, wie unverantwortlich es sei, mitten in der Corona-Pandemie für überfüllte Regionalzüge und S-Bahnen zu sorgen. Das könnte man ja vielleicht ein bisschen nachvollziehen, wenn nicht seit Monaten im Berufsverkehr Drücken und Stoßen wieder zum Alltag gehören würde. Zumal es bisher keine Indizien dafür gibt, dass die tägliche Pendelei das Infektionsgeschehen befeuert hätte.

Der Einsatz der Beschäftigten wurde jedoch wenig bis gar nicht honoriert: Während in anderen Branchen dreistellige Geldprämien für die Leistung in Corona-Zeiten flossen, durften sich die Beschäftigten der Straßenbahn bei der BVG über eine Tüte Apfelchips, zusammen mit einer Postkarte sowie einen Kugelschreiber freuen, wie der Verdi-Betriebsgruppenvorstand im Juli informiert hatte.

Klar ist: Die Bezahlung für die Berliner Beschäftigten konnte beim Tarifabschluss im vergangenen Jahr deutlich verbessert werden. Nun müssen auch die Brandenburger endlich vernünftige Löhne bekommen. Aber auch in Berlin ist das Ende der Fahnenstange der Glückseligkeit nicht erreicht. Wenn es dauerhaft ausreichend und motiviertes Personal im Nahverkehr geben soll, müssen sich auch die Arbeitsbedingungen verbessern. Schichtdienste und Zwölf-Stunden-Tage locken immer weniger Menschen in das Berufsfeld. Und ohne massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs wird die Verkehrswende nicht gelingen. Nicht nur die Infrastruktur, auch die Menschen, die sie betreiben, müssen der Gesellschaft mehr Geld wert sein. Schon aus Eigennutz.

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