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  • Streiks im Nahverkehr

Öko-Solidarität für Busfahrer

Fridays-for-Future-Aktivisten stärken den streikenden Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe den Rücken

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Neue Gesichter sind am Dienstagmorgen vor dem Bus-Betriebshof Cicerostraße der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Wilmersdorf zu sehen. Eine Handvoll Aktivisten der Fridays-for-Future-Bewegung haben sich eingefunden. »Der Verkehrsbereich ist die drittgrößte CO2-Schleuder. Der einzige Weg da raus ist weg vom Individualverkehr, hin zum Öffentlichen Personennahverkehr«, begründet Lara Zschische, warum sie sich mit den streikenden BVG-Beschäftigten solidarisiert. Deren Arbeitsbedingungen nennt sie »katastrophal«. Nur wenn diese verbessert werden, könne auch das benötigte zusätzliche Personal gefunden werden.

»Streik ist das letzte, das heftigste Mittel, um Missstände anzuprangern«, sagt Zschische. Das habe Fridays for Future schließlich mit den Schülerstreiks auch angewandt. Sie wolle die streikenden Beschäftigten auch unterstützen gegen eine negative gesellschaftliche Stimmung, die sich schnell breitmachen könnte, erklärt sie. »Das Geldargument zieht wirklich nicht, wenn den Leuten bessere Bedingungen verweigert werden sollen«, ist Zschische überzeugt. Schließlich habe die Coronakrise gezeigt, wie schnell Milliarden Euro aufgetrieben werden, wenn es den politischen Willen gibt.

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Jeremy Arndt, Fachbereichsleiter Verkehr im Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, ist wie die anderen Gewerkschaftskollegen angetan von der Unterstützung. Seit drei Uhr früh sind die Beschäftigten der BVG im Ausstand, der Teil des bundesweiten Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi ist. Eine der Hauptforderungen auf Landesebene ist die Angleichung der Arbeitszeit für alle Beschäftigten auf 36,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Für die Altbeschäftigten, die noch vor Inkrafttreten des Tarifvertrags Nahverkehr (TV-N) bei der BVG arbeiteten, gilt diese Wochenarbeitszeit. Alle, die später zu den aktuell rund 14 500 Mitarbeitern dazugestoßen sind, müssen 39 Stunden arbeiten.

50 Millionen Euro würde die BVG die Angleichung der Arbeitszeit kosten, schätzt Gewerkschafter Arndt. Zusammen mit den bundesweiten Forderungen summiert sich das Volumen auf 100 Millionen Euro. Der Kommunale Arbeitgeberverband Berlin wies am vergangenen Freitag darauf hin, dass der Tarifabschluss 2019 bereits Mehrkosten von 102 Millionen Euro verursacht habe.

Dafür hatte der Berliner Senat der BVG eine Kompensation zugesagt. »Das Geld ist noch nicht angekommen«, sagt Jeremy Arndt. Für das 2019 sollte es 50 Millionen Euro Zuschuss und 25 Millionen Euro über höhere Ticketpreise geben. Fast 60 Millionen Euro Verlust machte das Landesunternehmen 2019, Investitionen von knapp 90 Millionen Euro wurden verschoben.
Dieses Jahr sollten noch einmal 40 Millionen Euro kommen. Die Coronakrise sorgte beim Verkehrsbetrieb für geschätzt 130 Millionen Euro Mindereinnahmen. »Jetzt wird es langsam eng für die BVG«, sagt Arndt.

»Im Moment scheinen die Fronten sehr verhärtet«, berichtet Arndt über die bisherigen Tarifverhandlungen. Am vergangenen Freitag waren die letzten Gespräche, nach der Bekanntgabe der Warnstreiks wurden diese zunächst unterbrochen. Am 13. Oktober soll es in Berlin weitergehen.

In der Hauptstadt endete der Warnstreik schon um 12 Uhr, in Brandenburg sollte er glatte 24 Stunden bis Mittwochfrüh um 3 Uhr gehen. »Obwohl es angeblich kein Geld gibt, erhalten Streikbrecher dort bis zu 250 Euro Prämie«, ereifert sich der Berlin-Brandenburger Verdi-Landeschef Frank Wolf. So konnten in der Mark teilweise Schülerverkehre und ein gewisses Rumpfangebot im Nahverkehr aufrechterhalten werden. Von Anfeindungen wegen des Warnstreiks mitten in der Pandemie kann er nicht berichten. »Es gab eher mal die väterlich gemeinte Frage, ob uns bewusst ist, in was für einer Zeit wir streiken«, sagt Wolf. Man habe aus Rücksicht auf die Umstände in Berlin auch eine kürzere Streikdauer angesetzt. »In der Großstadt sind die Auswirkungen gravierender.«

Auf den Straßen der Hauptstadt war relativ wenig vom Ausfall von U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen zu spüren. Mehr Fußgänger und Radler waren unterwegs, auch der Straßenverkehr ist nicht zusammengebrochen. Die nicht vom Streik betroffene S-Bahn war tendenziell etwas leerer als sonst. Phänomenale 99,8 Prozent Pünktlichkeit registrierte die Deutsche-Bahn-Tochter um 7 Uhr morgens. Sie verlängerte den Einsatz von Verstärkerzügen, die regulär nur bis 8.30 Uhr fahren, bis 12 Uhr. Drei Züge, die sonst als Reserve dienen, waren im Netz unterwegs. Verdi hält sich auch zugute, den Warnstreik vier Tage vorher angekündigt zu haben. Zeit, die offenbar viele genutzt haben, um am Dienstag umzudisponieren.

»Es ist höchste Zeit, dass sich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten weiter verbessern«, sagt der Berliner Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser, der auch zum BVG-Betriebshof an der Cicerostraße gekommen ist. »Wir brauchen einen einheitlichen Tarifrahmen von Baden-Württemberg bis Mecklenburg-Vorpommern«, fordert er.

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