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Vielleicht selbst mal streiken?

Simon Poelchau über den Rückgang der Tarifbindung

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Dieser Tage wurde wegen der Warnstreiks im Nahverkehr und öffentlichen Dienst wieder viel geschimpft über die Gewerkschaften. Manch einen Maulhelden wird es da freuen, dass die Gewerkschaften für immer weniger Beschäftigte Tarifverträge durchsetzen können: Arbeiteten zur Jahrtausendwende noch 68 Prozent aller Beschäftigten in Betrieben mit Tarifbindung, so waren es zuletzt nur noch 52 Prozent, wie eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) ergeben hat.

Doch solange man nicht in einem Chefsessel sitzt oder genügend Kapital hat, um andere für sich arbeiten lassen zu können, sollte man sich fragen, ob die Entwicklung so gut ist. Denn die WSI-Studie zeigt auch: Wer keinen Tarifvertrag hat, arbeitet im Schnitt 53 Minuten länger in der Woche und bekommt elf Prozent weniger Gehalt als Beschäftigte mit einem von Gewerkschaften ausgehandelten Vertrag. Auch haben Beschäftigte mit Tarifbindung meist mehr Urlaubstage.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Müssen alle einzeln über Gehalt und Arbeitszeit verhandeln, so weiß sich der Chef meist am längeren Hebel. Das drückt natürlich aufs Gehalt. Was kann man schließlich als einzelner Angestellter gegen die Übermacht des Kapitals ausrichten? Anders sieht es natürlich aus, wenn sich die Beschäftigten zusammenschließen, gewerkschaftlich organisieren und auch mal die Produktion mit einem Streik lahmlegen. Dann sind die Karten plötzlich neu gemischt.

Insofern sollte sich jeder, der sich diese Woche über den Warnstreik in der U-Bahn aufgeregt hat, überlegen, ob sein Hass auf die Gewerkschaften gerechtfertigt ist. Wie wäre es vielleicht auch mal mit selber streiken?

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