Wenn die Zahnärztin Corona-Seelsorgerin wird

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es acht Gesundheitsämter mit regionalen Zweigstellen. Diese haben in der Corona-Pandemie alle Hände voll zu tun

  • Marc Niedzolka, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Schwerin. Ein Gebissmodell liegt auf einer Kommode im Schweriner Gesundheitsamt. Wer in diesen Raum hineingeht, denkt nicht zuerst an die allgegenwärtige Corona-Pandemie, sondern eher an den ungeliebten Besuch beim Zahnarzt. Normalerweise ist Jasmin von Gadow Zahnärztin beim zahnärztlichen Dienst im Gesundheitsamt der Landeshauptstadt. In der Corona-Krise haben sich ihre Aufgaben jedoch verändert, da durch die Schließung von Kitas und Schulen im Frühjahr Aufgaben wegfielen. Jetzt kümmert sie sich unter anderem um das Überwachen der Quarantäne. »Ich gehe nicht davon aus, dass ich als Zahnärztin ewig telefonieren werde«, sagt sie.

Bei ihren Telefonaten fragt sie unter anderem, ob die Menschen in Quarantäne noch Symptome haben. »Ich fange nicht vor 10.00 Uhr damit an. Wenn Menschen mit Fieber im Bett liegen, kann ich die nicht um 8.00 Uhr anrufen.« Jeder, der in häuslicher Quarantäne ist, werde einmal am Tag angerufen. Bei betroffenen Kindern seien dies die Eltern oder bei einem Paar werde mit einem Anruf nach beiden gefragt. »Bislang hatte ich kaum Menschen, die unfreundlich waren am Telefon oder kein Verständnis hatten. Einige sagen auch, es beruhigt sie zu reden.«

Die Dauer der Telefonate sei sehr unterschiedlich. Die Ersttelefonate nach Bekanntwerden einer Corona-Infektion könnten schon bis zu 15 Minuten dauern. Danach werden diese dann kürzer, wie von Gadow berichtet. Auf einer Liste sind demnach die Menschen aufgezählt, die derzeit in Quarantäne seien. Wessen Namen grau hinterlegt sei, habe diese beendet.

Die 42-Jährige hat eine sehr ruhige Stimme. Sie macht den Eindruck, als könne sie gut auf Menschen einwirken, die eine schwere Zeit durchleben. Sie hatte nach eigenen Worten selbst einen schweren Corona-Fall in der Familie. »Das verändert die Sicht auf das Virus natürlich schon. Ich nehme es sehr ernst, da ich die möglichen Folgen kenne.«

Sie ist nach Angaben der Stadt eine von rund 30 Mitarbeitern im Gesundheitsamt. Eine wichtige Aufgabe in der Corona-Pandemie ist die Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Laut Gesundheitsministerium erfolgt dies durch Mitarbeiter der Gesundheitsämter und weiterer Mitarbeiter aus den jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten. Dafür stehen demnach landesweit rund 400 Frauen und Männer in etwa 80 Teams zur Verfügung. Wenn die Infektionslage gering sei, würden die Mitarbeiter ebenfalls für andere Aufgaben eingesetzt.

Die Dynamik nimmt zu
Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland seit Beginn der Covid-19-Pandemie infiziert

Liane Riese arbeitet eigentlich ebenfalls beim zahnärztlichen Dienst der Stadt Schwerin, auch sie hilft in der Corona-Zeit unter anderem beim Betreuen von Menschen, die in Quarantäne sind. »Zu Beginn war schon viel Unsicherheit dabei, für uns war das auch alles neu. Wir lernen aber noch immer jeden Tag dazu«, sagt sie mit Blick auf den Ausbruch der Pandemie. Wenn man Menschen in der Quarantäne betreue, sei Dankbarkeit wirklich zu spüren. »Als ich mich einmal nicht ganz pünktlich bei einer Patientin in Quarantäne meldete, rief mich die Frau an und fragte, ob denn alles in Ordnung ist bei mir«, erzählt Riese mit einem Lachen im Gesicht.

Das Gesundheitsamt berichtete zudem von außergewöhnlichen Momenten in der Corona-Pandemie. Für ein älteres russisches Ehepaar mussten demnach Medikamente besorgt werden, da sie den Heimflug wegen der angeordneten Quarantäne des Sohnes nicht antreten durften. Einem älteren, alleinstehenden Mann sei ein Fieberthermometer im Briefkasten hinterlegt worden, da er jeden Tag Auskunft zu seiner Temperatur geben sollte, aber kein Gerät zu Hause hatte. Bis vor wenigen Monaten waren solche Momente im Gesundheitsamt undenkbar. Doch nun werden sie mit der Corona-Pandemie wohl noch ein bisschen anhalten. dpa/nd

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