Wenn Corona einen beim Arbeiten erwischt

Knapp 19.000 Infektionen mit dem neuartigen Virus wurden als Berufskrankheit angezeigt, nur wenige wurden bisher als solche anerkannt

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Während der ersten Welle wurden Pflegekräfte, Verkäufer*innen und Busfahrer*innen beklatscht. Sie waren die Menschen, die während des Lockdowns »den Laden am Laufen« hielten, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausdrückte. Neben ihrer im Vergleich zu ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nur mäßigen Bezahlung ist diesen Berufsgruppen gemein, dass die Beschäftigten nicht ins Homeoffice können, viel Kontakt mit Menschen und ein höheres Risiko haben, sich mit Corona zu infizieren. Allein in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen infizierten sich laut dem Lagebericht des Robert-Koch-Institutes vom Montag bisher knapp 17.000 Beschäftigte mit dem neuartigen Virus. Das sind rund fünf Prozent aller Beschäftigten.

Für viele Angestellte ist Corona also eine Berufskrankheit. Folglich stieg die Zahl der als Berufskrankheiten gemeldeten Infektionen aufgrund der Pandemie massiv an. Im gesamten Jahr 2019 wurden 1910 Infektionskrankheiten als Berufskrankheit angezeigt und davon 787 anerkannt. Dieses Jahr waren es bis Mitte September im Zusammenhang mit Covid-19 bereits 18 951 Fälle, wie aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht.

Jedoch wurden bei Weitem nicht alle Fälle auch von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, den Berufsgenossenschaften, als Berufskrankheit anerkannt. Nur 8171 Betroffene bekamen bisher einen positiven Bescheid und damit Anrecht auf Entschädigung oder gar Rente. Dies entspricht einer Anerkennungsquote von bisher 43 Prozent. Wie viele Anträge abgelehnt wurden, kann das Bundesarbeitsministerium nicht beziffern. Es geht aber in seiner Antwort davon aus, »dass sich viele Fälle aktuell noch im Entscheidungsverfahren befinden«. Hinzu kommt: Eine Infektion mit dem Coronavirus reicht nicht aus. Die Betroffenen müssen Symptome wie Husten und Fieber entwickelt haben.

»Alle, die nachweislich im Zusammenhang mit ihrer Arbeit an Covid-19 erkranken, müssen von der Unfallversicherung entsprechend entschädigt werden«, fordert deshalb Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Linksfraktion im Bundestag. »Dieses Mindestmaß an Respekt schulden wir denjenigen, die in der Coronakrise täglich ihre Gesundheit riskieren, damit der Laden weiter läuft.«

Infektionskrankheiten können laut dem Sozialgesetzbuch als Berufskrankheiten anerkannt werden, »wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war«. Dies trifft also vor allem auf Pflegekräfte zu.
Für Beschäftigte in anderen Bereichen wird es schwieriger. Sie können vor allem noch darauf hoffen, bei einer Corona-Infektion eine Entschädigung als Arbeitsunfall zu bekommen. Dabei müssen sie beweisen, dass die Krankheit auf einen Kontakt mit einer nachweislich mit dem Virus infizierten Person zurückzuführen sei. »Dies setzt einen intensiven beruflichen Kontakt mit der Indexperson voraus. Hierbei kommt es vor allem auf die Dauer und die Intensität des Kontaktes an«, so das Bundesarbeitsministerium.

»Covid-19 als Arbeitsunfall scheint eine reine Luftnummer zu sein«, sagt Linke-Politikerin Krellmann. Die Zahl der anerkannten Berufskrankheiten sei, angesichts von über 300.000 Erkrankten, ein Witz. »Auch die Betroffenen in der Fleischindustrie, im Handel und in anderen Risikobranchen müssen entschädigt werden«, so Krellmann weiter. So zählt das Robert-Koch-Institut allein in Bereichen wie der Fleischindustrie oder Gaststättenküchen bisher 6696 Corona-Infizierte.

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Krellmann empfiehlt Betroffenen deshalb, sicherheitshalber einen Antrag zu stellen. Zudem fordert sie den Bund zum Handeln auf: Damit die Angestellten leichter zu ihrem Recht kommen, »brauchen wir flächendeckend unabhängige Beratungsstellen für Betroffene von Berufskrankheiten, wie es sie in Hamburg, Bremen und Berlin bereits gibt«.

Denn nicht nur an Corona erkrankte Angestellte haben es schwer, sich ihre Krankheit als Berufskrankheit anerkennen zu lassen. Insgesamt wird nur rund ein Viertel der angezeigten Fälle auch als Berufskrankheit anerkannt. Im Schnitt dauert dies auch vier bis fünf Monate. Zudem liegt das gesamte Verfahren von der Beweiserhebung über die Prüfung bis zur Entscheidung in den Händen der Berufsgenossenschaften, die von den Arbeitgebern finanziert werden. Und diese haben, so eine häufige Kritik von Experten, wenig Interesse an der Anerkennung eines Falls, weil sie dann auch für die Entschädigung aufkommen müssen.

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