Zeit zu handeln

Coronakrise: Wissenschaftler fordern von Politik und Bürgern entschiedenes und sofortiges Gegensteuern

Mit dem stetigen Ansteigen der nachgewiesenen Corona-Ansteckungen in Deutschland sowie den immer mehr Städten und Kreisen, die als Risikogebiet klassifiziert werden, wächst auch die Sorge, dass das Infektionsgeschehen hierzulande außer Kontrolle gerät. Und sich damit infolge womöglich die Krankenhäuser mit Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf füllen und letztendlich viele weitere Todesopfer zu beklagen sind - so wie es derzeit etwa in anderen europäischen Ländern zu beobachten ist.

Laut Robert-Koch-Institut (RKI) vom Mittwochmorgen hatten die Gesundheitsämter in Deutschland erstmals seit Mitte April wieder mehr als 5000 neue Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 innerhalb eines Tages gemeldet - rund 1000 Fälle mehr als noch am Vortag. Die genaue Zahl belief sich den Angaben zufolge auf 5132.

Mit den Zahlen aus dem Frühjahr sind die derzeitigen Werte schwer vergleichbar, da inzwischen deutlich mehr Tests durchgeführt und folglich mehr Infektionen festgestellt werden. Im Vergleich zur letzten Woche allerdings wird die starke Zunahme der Infektionen in kurzer Zeit deutlich: Am vergangenen Mittwoch hatten die Gesundheitsämter noch 2828 nachgewiesene Neuinfektionen gemeldet.

Demnach haben sich seit Beginn der Covis-19-Pandemie in Deutschland mindestens 334 585 Menschen nachweislich infiziert, 9677 Menschen - und damit 43 mehr als am Vortag - starben laut RKI im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion.

In seinem Lagebericht von Dienstag erklärt das Robert-Koch-Institut, dass aktuell ein »beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten« sei. »Daher wird dringend appelliert, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert«, so das RKI.

Trotz dieses beschleunigten Anstiegs hält der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, es aber weiterhin für möglich, ein exponentielles Wachstum der Fallzahlen zu verhindern. »Aber dafür müssen wir uns auch anstrengen.« Die derzeitige Situation halte er nicht für gefährlicher als die im Frühjahr, so Wieler am Mittwoch in Berlin. Im Vergleich zum Beginn der Pandemie im Frühjahr gebe es viel mehr Erfahrung und Wissen im Umgang mit dem Virus, etwa um die Maßnahmen geschickter einzusetzen und um bei Ausbrüchen schnell zu reagieren.

Mit welchen konkreten Maßnahmen, darüber gab es in den letzten Tagen allerdings heftige Diskussionen. Vor allem das von vielen Bundesländern erlassene Beherbergungsverbot für Personen aus ausgewiesenen innerdeutschen Risikogebieten sorgte für Ärger und Forderungen nach einem möglichst einheitlichen und für die Bürger und Bürgerinnen auch nachvollziehbaren Handeln.

Wie es nun mit den Anti-Corona-Maßnahmen weitergehen soll, darüber berieten am Mittwochnachmittag (Ergebnisse lagen zu Redaktionsschluss dieser Seite noch nicht vor) Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten. Angesichts der im Vorfeld zum Teil recht weit auseinanderliegenden Meinungen unter den Verantwortlichen waren schwierige Verhandlungen erwartet worden.

Dass die Lage ernst ist, das machte den Beteiligten zu Beginn der Beratungen der Leiter der Abteilung Systemimmunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig noch einmal deutlich. »Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern zwölf, um das Schiff noch zu drehen«, erklärte Michael Meyer-Hermann nach Angaben von Teilnehmern der Besprechung im Bundeskanzleramt. Deutschland stehe an der Schwelle zu einem exponentiellen Wachstum. Demnach appellierte Meyer-Hermann an Ministerpräsidenten und Kanzlerin, an der Maskenpflicht festzuhalten und erklärte zudem, dass auch Bußgelder sehr wichtig seien.

Auch habe Meyer-Hermann vor Diskussionen über Großveranstaltungen und eine Verkürzung der Quarantänezeit gewarnt. Zur Verdeutlichung habe der Wissenschaftler eine Simulation gezeigt, wie sich das Infektionsgeschehen entwickeln würde, sollte die Politik jetzt nicht gegensteuern. Zudem schlug der Wissenschaftler nach Informationen der dpa ein Ausreiseverbot für Menschen aus Risikogebieten vor. Allerdings sei der Vorschlag von mehreren Teilnehmern skeptisch gesehen worden.

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