+++ Gericht kippt Beherbergungsverbot auch in Niedersachsen +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Donnerstag, 15. Oktober 2020: +++ WHO Europa: Corona-Maßnahmen müssen verstärkt werden +++ Telefonische Krankschreibung ab Montag wieder bundesweit möglich +++

  • Lesedauer: 10 Min.

Update 15.35 Uhr Lüneburg. Nach der Entscheidung in Baden-Württemberg hat nun auch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht das Beherbergungsverbot des Landes für Reisende aus deutschen Corona-Hotspots in einem Eilverfahren für rechtswidrig erklärt. Der Beschluss sei unanfechtbar, teilte das Gericht am Donnerstag in Lüneburg mit. Geklagt hatte der Betreiber eines Ferienparks.

+++ Krankenhausgesellschaft warnt vor Ausbreitung des Virus +++

Update 15.00 Uhr Berlin. Die Krankenhäuser in Deutschland zeigen sich besorgt über die steigende Zahl der Corona-Neuinfektionen. Der neuerliche Anstieg zeige »die ungebrochene Dynamik bei der Ausbreitung des Virus«, sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, am Donnerstag in Berlin. Aus der ersten Welle der Pandemie sei bekannt, dass diese steigenden Neuinfektionen in einem Zeitversatz von 14 Tagen auch in den Krankenhäusern ankommen.

»Schon jetzt sehen wir eine Verdopplung der Neuaufnahmen infizierter Patienten zur Vorwoche«, sagte Gaß. Auch die Zahl der Covid-19-Behandlungen in den Intensivstationen nehme deutlich zu. Es sei davon auszugehen, dass im November die Zahl von rund 2.000 Intensivpatientinnen und -patienten erreicht werde.

Bei mehr als 10.000 Neuinfektionen pro Tag werde es für die Gesundheitsämter unmöglich, die Infektionslage durch Kontaktverfolgung im Griff zu behalten, warnte die Krankenhausgesellschaft. Es drohe »entweder die unkontrollierte Ausbreitung in der gesamten Bevölkerung oder ein erneuter und vielleicht noch drastischerer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Lockdown als im Frühjahr«. Diese Situation müsse nicht nur mit Blick auf die Krankenhauskapazitäten dringend vermieden werden.

+++ Telefonische Krankschreibung bundesweit möglich +++

Update 14.50 Uhr Berlin. Telefonische Krankschreibungen wegen Erkältungsbeschwerden sind ab kommendem Montag wegen der Coronalage wieder bundesweit möglich. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschusses im Gesundheitswesen am Donnerstag. Die Regelung soll zunächst bis zum Jahresende gelten. Die entsprechenden Krankschreibungen gibt es jeweils für sieben Tage. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung könne telefonisch für weitere sieben Kalendertage ausgestellt werden, hieß es in einer Mitteilung.

+++ Corona-Ausbruch in Putenschlachthof +++

Update 14.10 Uhr Mühldorf am Inn. Nach einem Corona-Ausbruch bei einem Putenschlachthof sind die Infektionszahlen im Landkreis Mühldorf am Inn nach oben geschnellt. Die Zahlen waren wochenlang mit nur wenig Neuinfektionen auf einem niedrigen Niveau gewesen, wie das Landratsamt mitteilte. Am Mittwoch waren 39 Mitarbeiter des Ampfinger Schlachthofes positiv auf Corona getestet worden. Der Putenschlachthof geriet zuletzt wegen vorgeworfener Tierschutz-Verstöße beim Transport der Tiere in die Kritik.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstagmorgen für Mühldorf am Inn einen Wert von 73,4 Fällen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Aktuell berät der Landrat, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Der Landkreis hat angekündigt, weitere Einschränkungen einzuführen.

Auch in den benachbarten Landkreisen sind die Zahlen über dem Warnwert: Der im Norden angrenzende Landkreis Rottal-Inn weist laut RKI einen Wert von 81,5 Fällen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche auf. Rosenheim meldet für den Landkreis einen Wert von 54 Fällen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen.

+++ Gericht kippt Beherbergungsverbot in Baden-Württemberg +++

Update 13.30 Uhr: Mannheim. Der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom Donnerstag einem Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot in dem Bundesland stattgegeben. Dieses gilt bislang für Gäste aus deutschen Regionen, in denen 50 oder mehr neue Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner binnen 7 Tagen registriert wurden. Die Antragsteller kommen aus dem Kreis Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen, der über dieser Marke liegt. Sie hatten einen Urlaub im Kreis Ravensburg gebucht.

Das Beherbergungsverbot ist in Baden-Württemberg damit vorläufig mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt, wie das Gericht am Donnerstag in Mannheim mitteilte. Es können keine Rechtsmittel eingelegt werden.

Das Gericht sah den Einschnitt in das Grundrecht auf Freizügigkeit als unverhältnismäßig an. Das Land habe auch nicht darlegen können, dass Hotels und Pensionen »Treiber« des Infektionsgeschehens seien, so dass drastische Maßnahmen nötig seien. Es sei den Antragstellern auch nicht zumutbar, bis zu 48 Stunden vor Ankunft genommene negative Corona-Tests vorzulegen. Man könne nicht gewährleisten, dass Reisende in so kurzer Zeit einen Corona-Test erlangen könnten.

+++ WHO: Corona-Maßnahmen müssen verstärkt werden +++

Update 13.10 Uhr: Kopenhagen. Angesichts steigender Infektionszahlen in Europa spricht sich das Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation WHO für eine zielgerichtete Ausweitung der Corona-Maßnahmen aus. Die Reaktionen auf die wachsenden Fallzahlen müssten an die nationalen und subnationalen Gegebenheiten angepasst werden, sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Donnerstag auf seiner wöchentlichen Online-Pressekonferenz in Kopenhagen. »Aber ganz allgemein ist es Zeit, um die restrikten Maßnahmen zu verstärken - mit Lockdowns als allerletztem Ausweg.«

Man wisse heute sehr präziser als während der ersten Corona-Hochphase im März, was getan werden könne und müsse, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, sagte Kluge. Regierungen sollten sich nicht mit relativ kleinen Maßnahmen zurückhalten, um so größere Beschränkungen wie im Frühjahr zu vermeiden. »Eine Menge liegt in unseren Händen - in den Händen der Regierungen und der Menschen.« Es müsse unter anderem alles dafür getan werden, dass Schulen offen bleiben könnten.

Die Region Europa, zu der die WHO insgesamt 53 Länder zählt, habe nun mit fast 700 000 gemeldeten Fällen die höchsten wöchentlichen Zahlen seit Beginn der Pandemie verzeichnet, berichtete Kluge. Innerhalb von nur zehn Tagen sei die Gesamtzahl der Infektionen von sechs auf sieben Millionen angestiegen. Dies bedeute nicht, dass man zurück in der Situation Mitte März sei. Obwohl zwei- bis dreimal mehr Infektionen pro Tag registriert würden als im April, gebe es fünfmal weniger Todesfälle.

Dennoch sei man bei der WHO sehr besorgt, machte Kluge klar. Prognosen verlässlicher epidemiologischer Modelle deuteten darauf hin, dass ein länger anhaltendes lockeres Vorgehen die tägliche Sterblichkeit bis Januar 2021 auf das Vier- bis Fünffache der Werte aus dem April 2020 katapultieren könnte. Dieselben Modelle zeigten jedoch auch, dass durch einfache Maßnahmen wie das konsequente Tragen von Masken und die strikte Kontrolle von Versammlungen bis Anfang Februar schätzungsweise 281 000 Leben in der europäischen Region gerettet werden könnten. »Die Pandemie wird ihren Kurs nicht von selbst umkehren, aber wir werden. Eine verhältnismäßige und gezielte Reaktion ist der Weg voran«, sagte Kluge.

+++ Erneut Rekordwert bei Corona-Neuinfektionen +++

Berlin. Die Zahl der binnen eines Tages mit dem Coronavirus neu infizierten Menschen in Deutschland ist erneut sprunghaft gestiegen und hat damit einen Rekordwert erreicht. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen 6638 Neuinfektionen - rund 1500 mehr als am Mittwoch. Bislang waren Ende März mit knapp 6300 Neuinfizierten die meisten registriert worden. Allerdings sind die jetzigen Werte nicht mit denen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird - und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.

Am Mittwoch vergangener Woche hatten die Gesundheitsämter dem RKI 4059 Neuinfektionen mitgeteilt. Damit war zum ersten Mal seit April die 4000er Marke überschritten worden.

Die Zahl der Coronatests schwankt seit Mitte August zwischen rund 1,1 Millionen und 1,2 Millionen pro Woche. Die Rate der positiven Tests ist nach RKI-Angaben vom Mittwochabend jedoch deutlich gestiegen: von 0,74 Prozent Ende August auf 2,48 Prozent in der Woche vom 5. bis 11. Oktober.

In mehreren Labors gebe es einen Rückstau, einige gaben laut RKI Lieferschwierigkeiten für Reagenzien an. »Das RKI erreichen in den letzten Wochen zunehmend Berichte von Laboren, die sich stark an den Grenzen ihrer Auslastung befinden«, schreibt das Institut im Lagebericht vom Mittwoch. Der zusätzliche Testbedarf durch Urlauber nach Einführung des Beherbergungsverbots mit der Option zu einer »Freitestung« habe die Situation weiter verschärft.

Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach RKI-Angaben mindestens 341.223 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Datenstand 15.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag demnach bei 9710. Das waren 33 mehr als am Vortag. Nach Schätzungen des RKI gibt es etwa 284.600 Genesene.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Lagebericht vom Mittwoch bei 1,04 (Vortag: 1,18). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI in seinem aktuellen Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 1,16 (Vortag: 1,20). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.

+++ Wieder Corona-Regeln für Besuch im Krankenhaus +++

Berlin. Wegen des Wiederanstiegs der Corona-Neuinfektionen in Berlin sollen ab Samstag Besuchsregeln für die Krankenhäuser in der Stadt gelten. Eine entsprechende Verordnung hat die Senatsgesundheitsverwaltung erlassen. Einmal am Tag sollen Patienten demnach von einer Person Besuch bekommen können - für eine Stunde. Menschen mit Symptomen, die auf Covid-19 hinweisen, dürfen laut der Verordnung allerdings nicht zu Besuch in Kliniken kommen.

Für den Besuch bei Schwerstkranken und Sterbenden sind keine Einschränkungen vorgesehen. Auch Seelsorge ist laut dem Papier weiter möglich. Für Geburten gilt künftig, dass sich die Frauen einen Menschen aussuchen dürfen, der sie begleitet. Die Verordnung soll laut Gesundheitsverwaltung am Freitag im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes veröffentlicht werden und am Samstag in Kraft treten.

Manche Krankenhäuser hatten angesichts der Zunahme bei den Corona-Infektionen zuletzt bereits eigene Regelungen bekanntgegeben. In den Häusern des Krankenhauskonzerns Vivantes gilt bereits seit Montag ein Besuchsverbot - Ausnahmen bei Kindern und Schwerstkranken sollen aber möglich sein.

In mehreren Krankenhäusern in Deutschland hatte es größere Coronavirus-Ausbrüche gegeben. Menschen mit Vorerkrankungen und ältere Menschen zählen zu den Risikogruppen für schwere Verläufe. Bereits im März war das Besuchsrecht in Krankenhäusern und Pflegeheimen der Hauptstadt stark eingeschränkt worden.

+++ Fast das gesamte Ruhrgebiet ist Corona-Risikogebiet +++

Dortmund. In der Corona-Pandemie gilt nun fast das gesamte Ruhrgebiet als Risikogebiet. Drei weitere Städte überschritten am Donnerstag eine wichtige Warnstufe von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, wie aus Angaben auf der Webseite des Robert Koch-Instituts hervorgeht: In Bochum lag der Wert bei 53,3, in Dortmund bei 50,7 und in Mülheim bei 59,8. Damit stehen dort härtere Anti-Corona-Maßnahmen an.

In anderen Ruhrgebietsstädten war der kritische Wert bereits zuvor gerissen worden, in Herne ist er mit 92 besonders hoch. Relativ wenige gibt es hingegen in Bottrop und in Oberhausen, dort ist die Sieben-Tage-Schwelle in der RKI-Statistik noch nicht gerissen.

Schon zum Beginn der Woche hatte Dortmund seine Maskenpflicht verschärft. Die Stadt hatte damit gerechnet, dass sie die 50-Fälle-Schwelle überschreitet - am Mittwoch wurden im Stadtgebiet innerhalb eines Tages 77 Neuinfektionen festgestellt, so viele wie noch nie. Fünf davon sind Reiserückkehrer aus Risikogebieten. Nun gelten zunächst die strengeren Maßnahmen, die die Landesregierung für solche Hotspots festgelegt hat. Dortmund bereitet weitere Maßnahmen vor.

Zudem bat die Kommune die Bundeswehr um Unterstützung bei der Kontaktnachverfolgung, wie eine Sprecherin am Mittwoch sagte. Ab der kommenden Woche sollen 40 Soldaten und Soldatinnen ihre Arbeit in der größten Ruhrgebietsstadt aufnehmen.

+++ Sachsens will auf Beherbergungsverbot verzichten +++

Dresden. Sachsen will auf eine Umsetzung des Beherbergungsverbots für Reisende aus innerdeutschen Corona-Risikogebieten verzichten. »Das Beherbergungsverbot trifft viele Menschen, die nichts mit der Krankheit zu tun haben«, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Donnerstag dem MDR Sachsen. Auch die bei einem Bund-Länder-Treffen in Berlin beschlossene Begrenzung von Teilnehmern bei privaten Feiern soll in dem Freistaat weniger streng ausfallen.

Die Umsetzung der am Mittwoch beschlossenen Corona-Schutzmaßnahmen stehe auf der Tagesordnung eines Spitzengesprächs in der Staatskanzlei an diesem Donnerstag, sagte Kretschmer dem Sender. Unter anderem wolle er mit dem Kabinett, den Bürgermeistern und den Landräten über eine Obergrenze für Familienfeiern reden.

»Familienfeiern mit 500, 600 Personen, sowas kennen wir bei uns nicht. Und deswegen sind bei uns auch die Auswirkungen ganz andere«, sagte Kretschmer mit Blick auf die am Mittwoch beschlossene Begrenzung der Teilnehmerzahl bei Feiern. Agenturen/nd

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