Ostfrieslands BER
Neubau einer Brücke über die Ems könnte erst 2030 fertig werden
BER-Flughafen in Berlin, Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven, Gorch-Fock-Restaurierung - der Reihe solcher von Kostenexplosionen und Verzögerungen geplagten Projekte scheint sich, wenn auch in kleineren Dimensionen, ein Vorhaben im niedersächsischen Ostfriesland anzuschließen: eine neue Friesenbrücke. Ihre Vorgängerin führte jahrzehntelang bei Weener im Landkreis Leer über die Ems, verband Deutschland und die Niederlande durch ein Bahngleis, hatte einen Weg für Fußgänger und Radler. Doch im Dezember 2015 hatte ein Frachtschiff die Querung gerammt und zum Großteil zerstört. Ein Neubau muss her, und zwar so schnell wie möglich, so wünschten es sich die Nutzer der Brücke.
Geraume Zeit verging, ehe sich die beteiligen Stellen darauf geeinigt hatten, dass der künftige Überweg durch eine Drehbrücke zum Durchlassen des Schiffsverkehrs ausgeführt werden soll. Die bisherige Brücke konnte hochgeklappt werden, wenn beispielsweise ein Kreuzfahrtriese der Papenburger Meyer-Werft auf dem Weg zur Nordsee nahte. Erst im Dezember 2019, gut vier Jahre nach dem Aufprall des Frachters, hatte die Deutsche Bahn die Planungen für den Ersatzbau fertig gestellt. Bis 2024 sollte er vollendet sein, hieß es damals.
Nun aber gehe der Bundesrechnungshof von einer deutlich längeren Bauzeit aus, voraussichtlich bis 2030, vermeldet der NDR und beruft sich dabei auf einen bislang nicht veröffentlichten Bericht jener Behörde. Das Papier besage zudem, dass der Überweg wahrscheinlich 96 Millionen Euro verschlingen werde. Erste Planungen zu einem - nur teilweisen - Neubau waren 2016 von 30 Millionen Euro ausgegangen.
Entsetzt über eine mögliche »Perspektive 2030« zeigten sich örtliche Kommunalpolitiker. Aus ihren Reihen war dann zu hören: Es sei den Menschen nicht zu vermitteln, dass der gewünschte Neubau erst 15 Jahre nach Zerstörung der vertrauten Querung fertig sein könnte.
Unmut erregte die Botschaft aus Ostfriesland auch in Berlin: Victor Perli, niedersächsischer Bundestagsabgeordneter der LINKEN, gab zu bedenken: Die Entscheidung, statt einer Klapp- eine Drehbrücke zu bauen, sei der Grund sowohl für die hohen Kosten als auch für die lange Bauzeit. »Eine Drehbrücke hätte für die Leute vor Ort keinen Mehrwert, sondern würde allein dazu dienen, die Kreuzfahrtschiffe der Meyer Werft problemloser über die Ems zu überführen«, so der Politiker.
Für die Grünen im Landtag kommentiert deren Sprecherin für Häfen und Schifffahrt, Meta Janssen-Kucz: »Für die Menschen in der Region ist das ganze Verfahren nichts anderes als blanker Hohn, sind sie doch seit der Beschädigung im Jahr 2015 die Dummen. Sie müssen lange Umwege in Kauf nehmen, der Bahnverkehr zwischen Leer und den Niederlanden ist unterbrochen, und der Radtourismus im Rheiderland leidet.« Dazu komme die immense Kostensteigerung. Das alles sei ein Stück aus dem Tollhaus des Bundesverkehrsministeriums und der Deutschen Bahn, meint die Abgeordnete.
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