Salutieren im Stadion

Fußball als Propagandaplattform im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan.

  • Ronny Blaschke
  • Lesedauer: 5 Min.

In Aserbaidschan rückt der Fußball derzeit in den Hintergrund, selbst wenn in der heimischen Premyer Liqası gespielt wird. In der Hauptstadt Baku hisste der Verein Zira vor wenigen Wochen ein Banner für Ilgar Burcaliyev. Der frühere Jugendspieler war in die Armee eingezogen worden und kam bei Gefechten ums Leben. Die Tribünen wurden mit aserbaidschanischen Flaggen überspannt - ein Bild der jüngsten Eskalationen eines alten Konfliktes. Wieder kämpfen Armenien und Aserbaidschan mit Waffengewalt um Bergkarabach. Die autonome Region wird mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnt. Doch sie gehört völkerrechtlich zum muslimisch geprägten Aserbaidschan. Bei den Angriffen sollen Hunderte Menschen getötet worden sein. Zehntausende sind auf der Flucht.

Eine Plattform für feindselige Propaganda ist der Fußball. In Aserbaidschan trugen Teams Trikots mit der Aufschrift: »Karabach ist Aserbaidschan«. Spieler salutierten vor Kameras und verbreiteten Militärvideos in sozialen Medien, berichtet Yossi Medina. Der israelische Autor des Internetmediums »Babagol« ist Experte für den Konflikt im Kaukasus: »Einige Spieler zeigten Bilder von jugendlichen Kriegsopfern.«

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Der Konflikt zwischen Armeniern und Aserbaidschanern schwelt seit mehr als hundert Jahren. In Zeiten der Sowjetunion lebten sie nebeneinander statt miteinander, aber es gab kaum Gewaltausbrüche. In den 1980er Jahren wohnten in Ağdam, einer der größten Städte der Region, fast ausschließlich Aserbaidschaner. Eines ihrer wichtigsten Symbole: der lokale Fußballklub. Während des Zerfalls der Sowjetunion mündete der Streit um Bergkarabach in einen Krieg. Armenien siegte und vertrieb fast alle Aserbaidschaner aus der Region. Ağdam wurde zerstört. Der lokale Verein nahm 1987 den Namen Qarabağ an, in Anlehnung an seine Heimatregion. »Auch die Fußballer flohen nach Baku«, erzählt Yossi Medina. »Dort waren sie lange ohne festen Standort, doch nun haben sie ihr eigenes Stadion.«

Die Wurzeln in der symbolisch wichtigen Region Bergkarabach sichern Qarabağ in Aserbaidschan große Unterstützung. Die Folge: sieben Meistertitel in Serie. 2017 erreichte der Klub die Gruppenphase der Champions League, in dieser Saison spielt er in der Europa League. Im ersten Spiel am Donnerstagabend unterlag Qarabağ bei Maccabi Tel Aviv mit 0:1. Das Team wurde von israelischen Fans freundlich begrüßt. Ähnlich dürfte es im November beim Gruppenspiel gegen Sivasspor aus der Türkei sein. »In den sozialen Medien schickten viele Fans von Qarabağ freundliche Grüße nach Israel und in die Türkei«, sagt Yossi Medina. »Beide Staaten verkaufen Rüstungsgüter an Aserbaidschan.«

Auch in Armenien hat der Konflikt Auswirkungen auf den Fußball, zum Beispiel für Varazdat Haroyan. Laut Medienberichten soll sich der Nationalspieler dem armenischen Militär angeschlossen haben. In der Qualifikation für die Europa League musste der armenische Meister Ararat sein Heimspiel gegen Roter Stern Belgrad in Zypern austragen. Yossi Medina: »Fans aus Jerewan und Belgrad haben auf Bannern die komplizierte Geschichte ihrer Länder verglichen. Armenien beansprucht Bergkarabach, Serbien beansprucht den Kosovo.« Besonders im Fokus steht Henrikh Mkhitaryan. Der Kapitän des armenischen Nationalteams ist auch Sonderbotschafter der Vereinten Nationen, in einem offenen Brief hat er für Deeskalation geworben. Als Spieler des FC Arsenal verzichtete er 2019 auf das Finale der Europa League in Baku, er fürchtete um seine Sicherheit.

Aserbaidschan hat mit seinen Öl- und Gasvorkommen ein beachtliches Wirtschaftswachstum geschafft. Das ermöglicht der autoritären Regierung auch weltweite Werbung durch Sport: Mit der Austragung der Europaspiele 2015 oder seit 2016 mit einem Formel-1-Rennen. 2021 soll Baku einer von zwölf Austragungsorten der Fußball-EM sein. Die Uefa will vorerst an ihren Plänen festhalten.

Zu Zeiten der Sowjetunion hatte es auch im Fußball einen Austausch gegeben, sogar in Bergkarabach. So spielten Armenier in überwiegend aserbaidschanischen Vereinen, und umgekehrt. »Heute wäre das völlig undenkbar. Es gibt keinen Armenier in der aserbaidschanischen Liga«, sagt Sascha Düerkop, der die Region mehrfach bereist hat. »Es gab Riesenprobleme um die Europaspiele 2015: Am Ende durfte ein winziges Kontingent aus Armenien unter Militärschutz teilnehmen.«

Auch auf armenischer Seite gehört Sport zur politischen Strategie. In Bergkarabach wurde 2012 ein Fußballverband gegründet. Weil die Region kein unabhängiger Staat ist, bleibt ihm eine Fifa-Mitgliedschaft verwehrt. Stattdessen schloss sich der Verband der Conifa an, dem internationalen Fußballverband für nicht anerkannte Staaten, Minderheiten und Regionen. Der erste Generalsekretär des Verbandes aus Bergkarabach arbeitete für das armenische Außenministerium. »Der Verband war politiknah«, sagt Sascha Düerkop, Mitgründer der Conifa. »Fußball soll Bergkarabach international sichtbarer machen, auch abseits vom Konflikt.« 2019 richtete Bergkarabach dann die Europameisterschaft der nicht anerkannten Staaten aus.

Die Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf die große Fußballbühne. Seit zwölf Jahren verhindert eine Sonderklausel der Uefa direkte Aufeinandertreffen von Klubs und Nationalteams aus Armenien und Aserbaidschan. Dennoch gibt es bei internationalen Spielen Hassgesänge und feindselige Banner. »Wenn Mannschaften aus Armenien oder Aserbaidschan in europäischen Wettbewerben spielen, ist eine Mobilisierung der lokalen Communities wahrscheinlich«, sagt Pavel Klymenko vom antirassistischen Netzwerk Fare. Einige rechtsextreme Gruppen solidarisieren sich schon jetzt mit Armenien, als angebliche Bastion des Christentums gegen Muslime. Als wichtige Partei im Konflikt gilt die Türkei. Präsident Erdoğan weigert sich beharrlich, auf den türkischen Völkermord an den Armeniern vor mehr als hundert Jahren einzugehen. Er hält zu Aserbaidschan.

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