- Berlin
- Maskenpflicht
Nur mit Maske ins Gedränge
Auch auf der Karl-Marx-Straße in Berlin-Neukölln gilt seit Samstag eine Bedeckungspflicht im Freien
Geschäftig geht es zu auf der Karl-Marx-Straße in Neukölln. An diesem sonnigen Samstagnachmittag sind viele Menschen unterwegs. Menschen hasten mit prallen Einkaufstaschen über den Damm, Familien mit Kinderwagen suchen sich ein nettes Plätzchen in einem der Cafés. Auf den Gehwegen ist einiges los. Abstand zu den Mitmenschen lässt sich aber noch ohne größere Ausweichmanöver einhalten. Nur an einigen Baustellen wird es schon mal eng.
Nur gut, dass die große Mehrheit der Passanten auf dem Straßenabschnitt zwischen S-Bahnhof Neukölln und dem Rathaus Maske trägt. Man sieht den medizinischen Mund-Nasen-Schutz, selbstgenähte Schnutenpullis und ab und zu auch mal ein mehr oder weniger modisches Halstuch als Bedeckung. Sie alle machen es richtig. Denn: Seit diesem Samstag gilt zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf der gut drei Kilometer langen Karl-Marx-Straße Maskenpflicht. Die hatte der Senat in der vergangenen Woche für zehn belebte Einkaufsstraßen beschlossen.
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Weit und breit sind keine Hinweisschilder zu sehen, die das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anmahnen. Die vom Bezirk angekündigten Graffiti auf den Gehwegen, die in mehreren Sprachen auf die Maskenpflicht hinweisen, fallen kaum auf. Dennoch ist der Mund-Nasen-Schutz allgegenwärtig. Haben also alle Anwohner und Passanten im Vorfeld die Nachrichten gelesen? »Ein Polizist hat mir vorhin am U-Bahnhof-Ausgang gesagt, dass jetzt auch hier draußen Maske getragen werden muss«, sagt Türkan Gökcek, Anfang 30, die in einem Restaurant auf der Karl-Marx-Straße mit einer Freundin zum Tee verabredet ist. »Ich wusste das nicht, aber ich finde das schon gut, denn gerade hier im Bezirk steigen die Infektionen ja stark an«, sagt sie.
Die Polizei ist an diesem Samstagnachmittag auf der Karl-Marx-Straße präsent. An der Ecke Kirchhofstraße stehen zwei Einsatzwagen der Bundespolizei, weiter nördlich Höhe Saltykowstraße drei weitere. Vor den Autos steht eine Gruppe Polizisten auf dem Bürgersteig. Mobile Teams von jeweils drei Beamten spazieren zudem die Straße auf und ab, die Gesichter der Passanten stets im Blick. »Bitte setzen Sie ihre Maske auf, das ist seit heute Pflicht«, sagt ein Polizist zu zwei Männern, die auf einer Bank in der Sonne sitzen und schwatzen. Ohne Diskussion wird der Mund-Nasen-Schutz hochgezogen, den beide um den Hals hängen hatten. »Sorry, sorry, nach der letzten Kippe hab’ ich nicht mehr dran gedacht«, ruft einer der Männer den Beamten zu, die sich schon auf die Jagd nach weiteren Maskenmuffeln gemacht haben.
Die großangelegte Corona-Kontrollaktion, zu der rund 1000 Beamte der Berliner und der Bundespolizei am Samstag gemeinsam auf die Straßen der Hauptstadt beordert wurden, zeigt in der Karl-Marx-Straße offensichtlich Wirkung. In einer ersten Zwischenbilanz zeigt sich ein Polizeisprecher am Nachmittag zufrieden. Der Großteil der Menschen habe sich in den Hotspots an die Maskenpflicht gehalten, heißt es in einer Mitteilung. Bei etwa zehn bis 20 Prozent sei das anders gewesen. Die Menschen würden mündlich verwarnt - »und in der Regel folgen die Leute dann schon«. Nur in einigen wenigen Fällen hätten Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden müssen.
Für die Karl-Marx-Straße hatte die Polizei am Samstag einen besonderen Kontrollschwerpunkt angekündigt. In Neukölln sind die Infiziertenzahlen berlinweit am höchsten. Dass am Nachmittag so viele Passanten eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, ist dann wohl auch auf die gezielten Ansprachen durch die Beamten zurückzuführen. Am Morgen hatten Polizisten nach einer ersten Fahrt durch die Straße noch getwittert: »Hier tragen noch viel zu wenige Menschen eine Mund-Nase-Bedeckung.«
Tobias Köppen musste nicht ermahnt werden. Der 26-Jährige hatte von den neuen Covid-19-Maßnahmen im Radio gehört. Zum Imbiss auf der Karl-Marx-Straße hat er seinen medizinischen Mund-Nasen-Schutz regelkonform aufgesetzt. So richtig überzeugt ist er von der Bestimmung allerdings nicht.
»Ich finde nicht, dass das Gedränge hier auf der Straße so groß ist«, sagt er. An der frischen Luft sei das Risiko einer Ansteckung ohnehin gering. »Irgendwie nimmt das mit den Masken ziemlich seltsame Züge an«, findet der junge Mann. »Ich habe das Gefühl, die Menschen drehen langsam durch.« Die Maskenpflicht im Freien empfinde er als willkürlich. Auf der nahen Sonnenallee gelte die Bestimmung nämlich nicht. Dort ist es an diesem Samstag tatsächlich ähnlich belebt wie auf der Karl-Marx-Straße. Allerdings hat der Senat es sich offengehalten, für weitere Straßen die Maskenpflicht anzuordnen. Tobias Köppen zuckt mit den Schultern. »Aber hey, wenn die Politik meint, dass die Maske hier nötig ist, dann machen wir das halt so.«
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