Schnappschüsse einer Ikone
Die Fotos von Robert Capa aus Berlin im Sommer 1945
»Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran«, lautete sein Motto. Die Aufnahmen von Robert Capa aus dem Spanischen Bürgerkrieg oder vom D-Day, der Landung der Westalliierten in der Normandie am Omaha Beach 1944, hat jeder schon mal gesehen. Er war oft an vorderster Front, so auch 1954, als er im ersten Indochinakrieg auf eine Mine trat.
Robert Capa ist ein Künstlername. Eigentlich hieß er Ernö Friedman und wurde als Sohn einer jüdischen Schneiderfamilie in Budapest geboren. Von dort musste er aus politischen Gründen nach Deutschland flüchten, wurde aus der Not heraus Fotoassistent und veröffentlichte 1932 seine ersten Bilder im »Berliner Weltspiegel«. Nach der Machtübernahme durch die Nazis musste er erneut fliehen. Zunächst nach Wien und dann nach Paris. 1935 wurde er für eine Fotoreportage nach Spanien geschickt. Dort entstand am 5. September 1936 das Foto eines fallenden republikanischen Soldaten, das ihn bekannt und zu einer Fotoikone machte. Drei Jahre später emigrierte Capa nach New York.
Im Zweiten Weltkrieg war er erneut als Kriegsberichterstatter tätig. Mit den vorrückenden US-Truppen kehrte er nach Deutschland zurück. Auf einem Leipziger Balkon machte er am 18. April 1945 ein weiteres berühmtes Foto - von dem eben getöteten US-Soldaten Raymond J. Bowman, der im heutigen »Capa-Haus« vor den Augen des Fotografen erschossen worden war. 1947 gründete Capa zusammen mit anderen die berühmte Fotoagentur Magnum. Seine letzten Fotografien kurz vor seinem Tod zeigen einen Minensuchtrupp in Vietnam.
Weitgehend unbekannt blieben die mehr als 600 Fotos, die Capa im Sommer 1945 in Berlin aufnahm. Er hatte einen Auftrag des »Life Magazins«. Mehrere Wochen war er vor Ort. Sein Blick ist gerichtet auf eine befreite, aber ziemlich zerstörte Stadt und deren Menschen. Die bis zum 9. Mai 2021 im Berliner Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge ausgestellten Bilder zeigen das Nachkriegsberlin mit Schwarzmärkten, aber auch den ersten jüdischen Neujahrsgottesdienst nach der Nazizeit am 9. September 1945 in der kleinen Synagoge am heutigen Fraenkelufer. Weitere Fotografien sind im Begleitband zur Ausstellung zu sehen. Schnappschüsse, die Capa vom Alltag im ersten Friedenssommer schoss. Beeindruckend vor allem die Fotos, für die er aufs Brandenburger Tor kletterte.
Robert Capa kehrte nie mehr nach Berlin zurück. Es ist gut, dass ihn jetzt die deutsche Hauptstadt mit einer Ausstellung und einem Bildband ehrt.
Chana Schütz (Hg.): Robert Capa - Berlin Sommer/Summer 1945. Salzgeber Verlag, 160 S., geb., 25 €.
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