Biesenthal zeigt sein buntes Gesicht

Rund 280 Teilnehmer bei einem antirassistischen Spaziergang in Barnim

  • Andreas Fritsche, Biesenthal
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Sonntag auf dem Marktplatz von Biesenthal. Die Kleinstadt im Barnim zählt rund 6000 Einwohner.
Am Sonntag auf dem Marktplatz von Biesenthal. Die Kleinstadt im Barnim zählt rund 6000 Einwohner.

Vor der Grundschule »Am Pfefferberg« in Biesenthal (Barnim) sind am Sonntag viele Kinder und viele bunte Luftballons zu sehen. Ab und zu knallt ein Ballon. Dann zucken die einen zusammen, während die anderen lachen. Die Stimmung ist einerseits fröhlich, andererseits gedrückt. Kein Wunder!

Eine Initiative hat zum Spaziergang gegen Rassismus eingeladen. Denn in der Stadt sind in den vergangenen Monaten immer wieder schwarze Menschen beschimpft, beleidigt und sogar tätlich angegriffen worden. Das ist traurig. Andererseits gibt es nun auch einen Grund zur Freunde. Denn es sind rund 280 Einwohner aus Biesenthal und Umgebung zusammengekommen - viel mehr als erwartet -, um bei diesem Spaziergang zu demonstrieren, dass sie mit solchen Verhältnissen nicht einverstanden sind.

Auch Betroffene rassistischer Pöbeleien und Attacken sind erschienen, darunter der Mann, dem am 1. Oktober irgendetwas Beleidigendes zugerufen wurde, als er mit dem Fahrrad am Marktplatz vorbeifuhr. Er hat es nicht genau verstanden, gestoppt und gefragt, was los sei und was das solle. Daraufhin schlug ihm ein Betrunkener mehrfach mit einer Bierflasche ins Gesicht. Zum Glück erlitt das Opfer keine lebensgefährlichen Verletzungen, aber das hätte bei so einer brutalen Attacke durchaus sein können. Das Opfer selbst will nicht darüber sprechen, als der Spaziergang auf dem Marktplatz stoppt. Er möchte nicht noch mehr angefeindet werden und darum nicht in Erscheinung treten.

Aber Omar Abdallah aus Eberswalde und einige andere schwarze Menschen ergreifen unterwegs das Wort. »Wir erfahren Rassismus in vielen Bereichen: auf der Straße, im Supermarkt, im Zug«, erzählt Abdallah. Kein Mensch habe es verdient, wegen seines Aussehens, seiner Herkunft oder seiner Hautfarbe beleidigt zu werden, sagt er - und die Zuhörer applaudieren. An die Adresse der Täter, die sich in diesem Moment nicht blicken lassen, sagt Abdallah: »Rassisten schämt Euch! Ihr seid eine Schande für die Deutschen, die gut mit uns zusammenleben.«

Jenny Schwender von der Bürgerinitiative »Barnim für alle« gehört zu denen, die sich über Vielfalt freuen und keine Angst davor haben. »Ich wünsche mir, dass hier keiner seinen Frust an anderen Menschen auslässt«, erklärt sie in einer sehr emotionalen Rede. Sie ermuntert jene Zeitgenossen, die Vorurteile gegen Flüchtlinge haben, diese lieber einmal freundlich anzusprechen, mit ihnen zu reden, statt sie zu beschimpfen. Vielleicht entdecken sie ja Gemeinsamkeiten, meint Schwender. Vielleicht begeistern sie sich für den selben Fußballverein, vielleicht freunden sich ihre Kinder an und spielen miteinander.

Gerade so vernünftig hat ein Mann bedauerlicherweise nicht gehandelt, der an der Bushaltestelle an der Grundschule einen Schwarzen angepöbelte, ihn anrempelte, ihm mit dem Fahrrad absichtlich über den Fuß fuhr. Ganz überraschend ist das nicht. Dieser Täter sei der Polizei wegen seiner Gesinnung und solcher Ausraster bereits bekannt, heißt es. Immer wieder berichten Schwarze in Biesenthal von ähnlichen Erlebnissen, doch leider gebe es oft keine Zeugen, die vor Gericht gegen die Täter aussagen könnten, bedauert Philipp Grunwald. Er kennt einen Flüchtling, der inzwischen lieber mit dem Bus zum Bahnhof fährt, obwohl er eine halbe Stunde länger schlafen könnte, wenn er dorthin radeln würde. Der Mann habe aber Angst, mit dem Fahrrad am Marktplatz vorbeizufahren und dort angepöbelt und angegriffen zu werden.

Dabei haben es Geflüchtete ohne dies schon schwer genug. Ein Flüchtling aus Somalia, der in Biesenthal lebe, habe am 30. August seinen Bruder verloren. Dieser Bruder sei auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken, berichtet Grunwald. Er ist zur Beerdigung nach Italien gereist. Der Bruder des Toten habe das allerdings nicht gedurft. Er sei in Deutschland nur noch geduldet, bis er seine Ausbildung in einem Handwerksberuf beendet habe. Wenn er die Bundesrepublik verlassen würde, um zum Beispiel zur Beerdigung zu fahren, dürfte er nicht zurückkehren.

In Biesenthal spielt die AfD politisch keine Rolle. Sie war und ist nicht in der Stadtverordnetenversammlung vertreten. Das aber nur, weil sie hier bei der Kommunalwahl 2019 nicht angetreten ist. Keineswegs etwa, weil sie in Biesenthal niemand ankreuzen würde. Bei der Landtagswahl 2019 erhielt die AfD in der Stadt 22,3 Prozent der Stimmen. Rassistische Anschauungen sind in der Bevölkerung durchaus verbreitet.

Aber diejenigen, die anders denken, zeigen das am Sonntag klar und deutlich. Dem Aufruf zum antirassistischen Spaziergarn hatten sich 36 Organisationen, Vereine, Parteien und Firmen angeschlossen, darunter der Sportverein SV Biesenthal, die Grundschule »Am Pfefferberg« und Bürgermeister Carsten Bruch (CDU). »Wir wollen zeigen, dass Opfer rassistischer Gewalt in Biesenthal nicht alleinstehen und dass uns rassistische Übergriffe in unserer Nachbarschaft nicht egal sind«, hatte Svea Sobotka von den Organisatoren vorher gesagt. Das ist eindrücklich gelungen.

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