Demut bei den Präsidenten

BKA-Chef Holger Münch und sein BND-Amtskollege Bruno Kahl haben im Bundestag zum Amri-Anschlag ausgesagt

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.

Als vor zweieinhalb Jahren die Strategie für die Aufarbeitung des Attentats vom Breitscheidplatz für den Untersuchungsausschuss im Bundestag festgelegt wurde, entschieden sich Parlamentarier*innen auf Druck der Regierungsmehrheit für ein chronologisches Vorgehen bei den Ermittlungen. 107 Sitzungen später und fast vier Jahre nach dem Anschlag standen nun Präsident Holger Münch und Amtskollege Bruno Kahl für das Handeln von Bundeskriminalamt BKA und Bundesnachrichtendienst BND ein.

Beide Präsidenten entschuldigten die Fehler ihrer Mitarbeiter*innen. Bruno Kahl sprach von Demut, die angesichts des nicht verhinderten Anschlages gegenüber Opfern und Hinterbliebenen zu zeigen sei. Das Versagen ist besonders beim BKA eklatant.

»Der Ausbau der Ermittlungskapazitäten hat in diesem Jahr so richtig begonnen«, sagte BKA-Präsident Holger Münch. Er kann auch jetzt nicht ausschließen, dass vergleichbare Anschläge verübt werden. Doch nun sei das BKA besser aufgestellt. Neben der seit mehreren Jahren hohen Gefährdung durch Dschihadist*innen fordert auch der wachsende Rechtsextremismus das BKA. Zum Anschlag vom Breitscheidplatz gibt es auch Jahre danach reichlich unaufgeklärte Aspekte.

Aus Sicht von Münch handelt es sich bei vielen Fragen der Abgeordneten um Detailfragen, zu denen die Mitarbeiter*innen Stellung nehmen müssten. Die Namen der Topgefährder*innen auf der 123er-Liste, die dem Ausschuss vorliegt, sagen Münch nichts. Einen möglichen Waffenumschlagspunkt in Rostock, an dem Rechtsextremist*innen und Dschihadist*innen ihre Waffen beziehen, hält Münch für möglich, wirkt aber so, als sei ihm eine solche Option erstmals präsentiert worden. Man müsse den Weg der Waffen durch Europa nachverfolgen, räumte Münch auf Nachfragen von Martina Renner (Linke) ein. Nur seine wortreichen Ausführungen verhindern, dass Münch so phlegmatisch wirkte, wie es die offen gelegten Unzulänglichkeiten eigentlich mit sich bringen.

Warum die europaweite Fahndung nach dem Täter erst so spät ausgelöst wurde, konnte Münch dem Ausschussvorsitzenden Klaus-Dieter Gröhler (CDU) nicht darlegen. Für die Grünen suchte Irene Mihalic nach Antworten. »Es tut mir leid, Herr Münch, von keinem BKA-Zeugen habe ich die bisher bekommen.« Die Liste der Fragen ist lang. Kein BKA-Beamter stellte dem zwischenzeitlich als Mithelfer verdächtigten Bilel Ben Ammar die wesentliche Frage, wo dieser in den zehn Tagen nach dem Anschlag abgetaucht war. Unerklärlich - aber das wolle das BKA nachreichen - bleibt auch, wie der Täter Anis Amri während der Fahrt im Lkw mit seinen Handys navigierte und Kontakt zum libyschen Unterstützer MouMou1 hielt. Eine Sim-Karte war in keinem der zurückgelassenen Handys enthalten. Dennoch beruft sich das BKA auf ein Bewegungsprofil, das von einem der beiden Geräte stammen soll. Dies sei ab Oktober 2016 bis zum Anschlagsabend lückenlos. Wie das gelungen sein soll, obwohl das Gerät zuletzt Tage vor dem Anschlag eine Internetverbindung hatte, kann das BKA weiterhin nicht erklären.

Auch Bruno Kahl machte wenig schlüssige Angaben zu Details, die in seiner Behörde rund um den Anschlag passierten. Hinweise vom marokkanischen Geheimdienst auf Anis Amri landeten zunächst beim Verfassungsschutz statt bei den für Strafverfolgung zuständigen Polizeien. Eine Erklärung dafür hat Kahl nicht. Er ging von einem Automatismus aus, dass der Verfassungsschutz schon weiterleiten würde. Warum dennoch Mitarbeiter*innen seiner Behörde vier Wochen vor dem Anschlag eine Handyortung von Amri vornahmen, erklärte Kahl dürftig und spekulativ.

SPD-Obmann Fritz Felgentreu kritisierte: »Unsere Ermittlungsarbeit hat ergeben, dass beide Behörden eigentlich ganz zufrieden damit waren, dass sie mit Amri nicht zu viel zu tun hatten.« Das BKA habe jede Gelegenheit ungenutzt gelassen, für den gefährlichen Amri mehr Verantwortung zu übernehmen.

Zu den skandalträchtigen Unterlassungen des BKA zählt, dass man dem Hinweis auf ein Leck bei der Berliner Polizei nicht nachgegangen ist. Der Rechtspopulist Lutz Bachmann hatte wenige Stunden nach dem Anschlag eine Meldung über Twitter verbreitet, die angeblich aus Polizeikreisen stammte. Der Inhalt: Eine Beschreibung des Attentäters als »tunesischer Moslem«. Auch Bachmann sagte an diesem Tag aus und schilderte, ein Anrufer mit Berliner Dialekt habe diese Mitteilung telefonisch übermittelt und über einen anonymen SMS-Dienst noch einmal übersendet. Weder SMS noch Anrufprotokoll sind noch vorhanden. Bachmann hatte zwischenzeitlich, angeblich auch wegen des Drucks der Presse, von der Aussage des Tweets Abstand genommen, die er nun wieder vollumfänglich so erhalten haben will. Immerhin gab es zu diesem Hinweis nun Ermittlungen. Nur eben wieder nicht durch das BKA.

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