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Gerupft und gestärkt

Mit der Vuelta geht eine unerwartet erfolgreiche Halbsaison im Radsport in Pandemiezeiten zu Ende

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer hätte dies noch im Mai, mitten im ersten Lockdown, zu prognostizieren gewagt: Die Vuelta a España endete in Madrid, die Tour de France in Paris, der Giro d’Italia in Mailand. Gut, die Spanienrundfahrt umfasste nur 18 Tage statt der üblichen 21. Aber im von der Pandemie geplagten Gastgeberland konnte sie zumindest im Rahmen der neuen Planung komplett realisiert werden. Tour und Giro fanden sogar über die kompletten 21 Tage statt. Und insgesamt 91 Renntage der geplanten 104 wurden veranstaltet.

Lediglich 13 Renntage, darunter Paris-Roubaix, fielen aus, weil in den Veranstalterländern das Ausbreitungsrisiko des Virus als zu groß eingeschätzt wurde. Für die gesamte Radsportbranche stellt dies einen Erfolg dar. Und so herrschte auch beim Tross der Vuelta große Zufriedenheit, ganz ungeachtet sogar des sportlichen Abschneidens der eigenen Teams.

»Ich denke, die UCI und die Rennorganisatoren von Tour, Giro und Vuelta haben einen fantastischen Job gemacht. Sie haben in diesen schwierigen Zeiten einen Radsportkalender möglich gemacht. Und sehr viel davon wurde auch umgesetzt«, meinte der Däne Brian Holm, sportlicher Leiter des belgischen Rennstalls Deceuninck Quick Step, gegenüber »nd«. Auch sein holländischer Kollege Marc Reef von deutschen Team Sunweb zog eine positive Bilanz: »Die Blase im Radsport funktioniert. Es gab nur wenige positive Corona-Fälle unter den Fahrern bei der Tour, auch noch recht wenige beim Giro und bislang gar keinen bei der Vuelta. Das zeigt: Man kann Rennen ohne Probleme organisieren.«

Reef beobachtete dabei eine Lernkurve der Organisatoren, die vor allem aus den Erfahrungen beim Giro die richtigen Schlüsse gezogen hatten. Die dortigen vier positiven Fälle im Fahrerfeld sowie bei sieben Betreuern gingen den bisherigen Rekonstruktionen zufolge wohl hauptsächlich auf Ansteckungen in den Hotels zurück. Fahrer und Betreuer aus der sogenannten Teamblase waren bass erstaunt, auf normale Hotelgäste am Büffet zu treffen. »Hier bei der Vuelta haben wir unsere eigene Etage mit dem Team, wir haben eigene Speisesäle, es gibt keinen Kontakt mit anderen Gästen«, so beschreibt es Reef. Von diesen Erfahrungen ausgehend wagte Reef auch einen optimistischen Blick in die Zukunft. »Den großen Veranstaltern, denen von Tour, Vuelta und Giro, fällt es zwar sicherlich leichter, die Hygienekonzepte komplett umzusetzen. Aber warum sollte dies auch nicht Organisatoren von kleineren Rennen gelingen?«

Größere Hürden als das Schaffen der Hygiene-Blasen bei den Rennen selbst dürfte in der kommenden Pandemiesaison die Organisation von An- und Abreise bereithalten. Die australischen Winterrennen, die traditionell die neue Saison einläuten, wurden bereits abgesagt. Zu hoch erschien Teams und Veranstaltern das Risiko, wegen der Hygienebestimmungen vor Ort vor und nach dem Rennen den kompletten Kader jeweils 14 Tage in Quarantäne stecken zu müssen. Deshalb werden die Tour Down Under und das Cadel Evans Ocean Road Race in kleinerem Format und mit einheimischem Starterfeld ausgerichtet.

Weil ähnliche Probleme auch bei Rennen in Asien und auf dem amerikanischen Kontinent zu erwarten sind, deutet sich für die Saison 2021 ein im Kern europäischer Rennkalender an. Gegenwärtig knobeln der Weltradsportverband UCI und die Veranstalter an einem Fahrplan dafür. Eine Komplexitätsreduktion stellte bereits die Tatsache dar, dass die Tour de France 2021 auf den geplanten Start in Dänemark verzichtet. Grenzüberschreitend sind nur zwei Etappen und der zweite Ruhetag im Kleinstaat Andorra.

Sportlich bot die verkürzte Saison einige Überraschungen. Junge Fahrer wie Tadej Pogacar (Slowenien) und Tao Geoghegan Hart (Großbritannien) eroberten die Rundfahrtbühne. Zum Saisonabschluss hielten sich aber auch die gestandenen Profis schadlos. Primoz Roglic - bei der Tour de France noch deprimierter Verlierer, gewann zuerst das Klassikermonument Lüttich-Bastogne-Lüttich. Bei der Vuelta errang er vier Etappensiege und drei zweite Plätze und hatte auf der letzten Etappe am Sonntag nach Madrid sowohl das rote Trikot des Gesamtführenden als auch das Punktetrikot in seinem Besitz. Der ehemalige Skispringer gehört zu dem vielseitigsten Topfahrern seiner Generation.

Wichtigstes Resultat der komprimierten Halbsaison ist aber: Straßenradsport ist durchführbar, auch unter den komplizierten Bedingungen der Pandemie.

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