- Politik
- Jürgen Todenhöfer
One-Man-Partei will kandidieren
Jürgen Todenhöfer stellt seine Idee einer Technokraten-Regierung vor, die Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz vereinen soll
Jürgen Todenhöfer könne nicht schlafen. Weil Deutschland gerade so viele Schulden aufnimmt, weil Soldaten der Bundeswehr für Kriege ins Ausland geschickt werden und weil »die Lüge und die Gewalt« etwas Übliches im Bundestag geworden seien. Er könne auch nicht ruhig einschlafen, wenn er in der Regierung wäre. Der bekannte Richter, Politiker und Journalist präsentierte am Donnerstagabend am Brandenburger Tor seine neue Partei »Team Todenhöfer«, mit der er nach 30 Jahren Abwesenheit im Parlament 2021 wieder für den Bundestag kandidieren will.
Seinen Fans war es an diesem Abend nicht einmal peinlich, dass in einem Video über Todenhöfers Leben Baby-Fotos von ihm präsentiert und von einem »rasanten politischen Aufstieg« die Rede war. Stattdessen sangen sie für ihn »Happy Birthday«. Todenhöfer feierte am Donnerstag seinen 80. Geburtstag. Die gesamte Veranstaltung war hoch emotional und auf ihn ausgerichtet. Die Botschaft: Todenhöfer hatte bisher ein langes und sehr erfahrungsreiches Leben. Er reiste in zahlreiche Konfliktgebiete und wurde im Laufe der Jahre vom Kriegsbefürworter zum überzeugten Pazifist, auch weil er die Auswirkungen des Krieges hautnah miterlebte.
Ein Programm seiner Partei wurde am Donnerstag nicht vorgestellt. Lediglich einige Maßnahmen versprach Todenhöfer, wenn sein »Team« die Macht erobere, darunter vor allem die Abschaffung der Großspenden an Parteien und die Einstellung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Dazu gab es auch einen kreativen Vorschlag: Die Verpflichtung, alle Bundestagsabgeordnete für vier Wochen in den Krieg zu schicken, wenn sie einem Auslandseinsatz der Bundeswehr bewilligen. »Da wären alle Kriege schnell beendet«, erklärt Todenhöfer vor einigen hundert Fans, die ihn laut bejubelten und beklatschten.
Todenhöfer beantwortete geduldig alle Fragen der Anwesenden am Ende seiner Show. Auch des »nd«: Warum sei er denn nicht der Linken beigetreten, statt eine neue Partei zu gründen? Er habe »nichts gegen die Linke«, aber die Partei »kriegt das nicht hin«. Zudem komme er nicht aus der gleichen Tradition, die der Arbeiterbewegung.
Das würde auch klar seine anderen Forderungen widersprechen: Dem Staat möchte Todenhöfer eine »Entschlackungskur verpassen«. Konkret hieße das: Ein Drittel weniger Beamten und weniger Bürokratie. Ohne Entlassungen, die Beamten sollen nur in Pension gehen und die Stellen nicht wieder neu besetzt werden. Auch weniger Steuern sollen die Bürger zahlen. Todenhöfer verspricht zudem eine Million neue Wohnungen pro Jahr. Wie die Probleme jener Menschen zu lösen sind, die weniger Glück im Leben haben, lässt er aber offen.
So wie die Vorstellung der Partei würde auch eine Todenhöfer-Regierung selbst sein: elitär. Die One-Man-Partei will ein »Experten-Regierung«, also Technokraten, die sich in den jeweiligen Fachbereichen bestens auskennen sollen. Deshalb sei es nicht nötig gewesen, andere Mitglieder der Partei zu präsentieren. Aber Todenhöfer versichert, dass auch ehemalige Mitglieder von CDU, SPD, sowie von Grünen und Linken bei ihm mitmachen.
Das Publikum an diesem Donnerstagabend in Berlin war jedenfalls sehr gemischt. Praktisch alle hielten sich an die Hygienemaßnahmen und trugen keine politischen Zeichen anderer Parteien oder Bewegungen. Sie hörten dem Mann auf die Bühne aufmerksam zu, manche wollten ein Autogramm auf eines seiner Bücher haben.
Im Grunde fordert Todenhöfer einen Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz. Eines kann man ihm aber zumindest nicht vorwerfen: Er stellt fest, dass in seiner Partei »kein Platz für Antisemiten, Islamhasser und sonstige Rassisten« ist. Auch eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt er kategorisch ab. Seinen früheren CDU-Parteikollegen und heutigen AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland bezeichnete Todenhöfer als »einen mitteleuropäischen Mischling«, um sich über dessen rassistische Ansichten lustig zu machen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!