Wiens SPÖ wechselt Partner

In Österreichs Hauptstadt regieren künftig die liberalen NEOS mit

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

In Summe klingt es wie ein politisches Discounter-Flugblatt: »Wiener Bildungsversprechen« steht da zusammen mit einer »Joboffensive 50plus« und »Lehrlingsoffensive«, auch eine »Klimaschutz-Offensive« soll es geben, »erneuerbare Energien« will man forcieren, »mehr Grünflächen«, »Abfallvermeidung« und »Transparenz«. Die seit jeher in Wien regierenden Sozialdemokraten haben sich geeinigt mit den liberalen NEOS. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nennt es eine »Fortschrittskoalition«. An Details wie Personalien und Ressortaufteilung wurde am Montag noch gefeilt, das Programm aber steht. Am Dienstag sollte die Koalition final verkündet werden.

Damit sind die Grünen nach zehn Jahren raus aus der Koalition und die SPÖ hat einen neuen Partner in Wien. Einen, so wohl eine Hoffnung hinter dem Wechsel, der weniger aneckt als die Wiener Grünen, die dem linken Flügel der Partei zugerechnet werden können. An strittigen Themen hat es ja zuletzt nicht gemangelt. Vor allem bei der Verkehrspolitik waren sich die Koalitionäre zuletzt auch öffentlich in die Haare geraten. Etwa beim Plan der Grünen, die Wiener Innenstadt autofrei zu machen.

Dabei war von Anfang an klar, dass die Grünen nicht Ludwigs erste Wahl sind. Hatte er die Koalition doch erst im Januar 2018 von seinem Amtsvorgänger Michael Häupl geerbt. Und unterschiedlicher könnten Häupl und Ludwig nicht sein: Häupl, ein hemdsärmeliger Pragmatiker durchaus humanistischer Prägung und mit im Kern linken, sozialdemokratischen Überzeugungen, die er durchaus auch gegen Widerstände durchzog; Ludwig dagegen ist einer jener SPÖ-Männer, die dem rechten Lager der Partei zugerechnet werden können und die sich gern an populären Mehrheiten orientieren. Eine Koalition mit der FPÖ hatte er zwar ausgeschlossen. Aber Ludwig ist durchaus einer, der auch schon mal zusammen mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (der hatte eine Koalition mit der FPÖ) gegen die SPÖ-Bundesspitze unter Pamela Rendi-Wagner zu Felde zieht.

Dass Ludwig die Koalition mit den Grünen auflöste, war also keine große Überraschung. Ebenso, dass keine Koalition mit der ÖVP - bei der Wahl in Wien auf Platz zwei - zustande kam. Bleiben die NEOS, aber auch diese Koalition birgt ihre Tücken. Zwar halten die NEOS an Mandaten gerade einmal die Hälfte der Grünen, aber Bürgermeister Ludwig lässt sich mit einer Partei ein, die sich vor allem auf Bundesebene in Permanenz zu profilieren versucht, wo die SPÖ kaum präsent ist. Dem Vernehmen nach dürften die NEOS das Bildungsressort zugesprochen bekommen. Bereits im Wahlkampf hatten die NEOS massiv mit bildungspolitischen Themen geworben.

Für die Grünen ist das Platzen der Koalition bitter. Die Regierungsbeteiligung hatte der Partei die Chance geboten, kommunale Realpolitik vorzuzeigen, während man auf Bundesebene in einer Koalition steckt, in der die ÖVP die Themen bestimmt. In Wien aber konnten Integrationspolitik, Bildungspolitik, Verkehrspolitik mit grüner Handschrift praktiziert werden.

Was die neue Stadtregierung konkret vorhat, lässt sich nur erahnen. Bei der Bildung dürfte ein Ausbau des bilingualen Unterrichts und der Ganztagsschulen anstehen, in der Verkehrspolitik auch ein weiterer Ausbau des Radwegenetzes. Die politischen Marktschreiersprüche gilt es nun mit Inhalten zu füllen.

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