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Neonazis mit Endzeitrhetorik
Querdenken-Proteste schwappen zunehmend auf Brandenburger Städte über
Natürlich ist am Mittwoch auch Andreas Kalbitz in Berlin. Der ehemalige Brandenburger AfD-Chef schüttelt Hände, gibt Interviews - »Wir sind im Kampf hier um Freiheitsrechte«, »impfen würde ich mich nicht lassen« - und reiht sich ein in die Demonstration gegen die Reform des Infektionsschutzgesetztes. Sein ebenfalls anwesender Brandenburger Ex-Parteikollege Lars Günther sagt: »Natürlich werden die Abstände hier nicht eingehalten.« Im Vorfeld hatte er angekündigt, dass nahezu die komplette AfD-Landtagsfraktion am Mittwoch nach Berlin fahren werde. Später stehen die beiden in der Ebertstraße in der ersten Reihe zwei Wasserwerfern gegenüber, unweit von Neonazigrößen und Hooligans, darunter zahlreiche aus Brandenburg.
Doch längst konzentrieren sich diese nicht mehr auf Großveranstaltungen in Berlin oder Leipzig. Neben AfD- und Ex-AfD-Funktionären gelingt es Neonazis, Hooligans und Reichsbürgern zunehmend auch in Brandenburg, die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu unterwandern. Von »mehr als 50 Veranstaltungen in Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen seit September« weiß Dorina Feldmann von der Fachstelle für Antisemitismus am Moses-Mendelsohn-Zentrum an der Universität Potsdam.
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»Wir können jetzt schon sagen, dass die Querdenken-Bewegung erheblich an Einfluss in Brandenburg gewinnt«, so Feldmann zu »nd«. Die unterschiedlichen Akteure, die sich mitunter schon im Frühjahr in Brandenburg zusammengefunden hatten, erhalten derzeit unter dem Label Querdenken weiteren Zulauf über die Kanäle des Messengerdienstes Telegram. Und auf der Straße.
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) kommt zu der Einschätzung, dass auch in Brandenburg im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie immer häufiger die große Verschwörung gewittert wird. Nach einer von Infratest dimap durchgeführten aktuellen Umfrage des RBB nimmt dabei die Ablehnung der Corona-Politik von Bund und Ländern in Brandenburg generell rapide zu. Mittlerweile halten den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen zufolge 18 Prozent der Brandenburger die getroffenen Maßnahmen für übertrieben, doppelt so viele wie bei der letzten Umfrage im April.
Antifaschisten, die das Demo-Geschehen im Land beobachten, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchten, bestätigen gegenüber »nd«, dass in den letzten Wochen neben Wittenberge und Oranienburg vor allem Brandenburg an der Havel zu einem Zentrum der Proteste geworden ist. Hier demonstrierten Pandemieleugner am vergangenen Montag zum dritten Mal in Folge. Rund 300 Menschen, größtenteils ohne Maske und mit wenig Abstand, zogen durch die Innenstadt. »Brandenburg steht auf« nennt sich die der Querdenken-Bewegung nahestehende Gruppierung. »Seit dem 3. November versammeln sich dort deutlich mehr Sympathisanten - mit dabei auch Akteure der extremen Rechten vom inzwischen aufgelösten Verein Bürgerbündnis Havelland«, so ein Szenekenner. Auch Geschäftsleute werben »für die neue Montagsdemo in Brandenburg/H. für Freiheit und Selbstbestimmung«, so ein Aushang in einem Schaufenster des »Café 22« in der Brandenburger Steinstraße.
Kurz nach den ersten Aufmärschen Anfang November durften sich die Schwurbler dann bestätigt fühlen. »Die für zehn Tage verhängte Maskenpflicht zum Tragen von Mund-Nase-Bedeckung in den Einkaufsstraßen der Innenstadt wird nicht verlängert«, teilte Oberbürgermeister Steffen Scheller (CDU) mit. Begründet wird die Entscheidung damit, dass sich die Rechtslage mit der neuen Eindämmungsverordnung geändert habe und man - bezogen auf den Tourismus, die Außengastronomie und die Kontaktreduzierung im öffentlichen Raum - auch in Brandenburg an der Havel eine Reduzierung der Kontakte in der Innenstadt verzeichne.
Bei der Fachstelle Antisemitismus Brandenburg schaut man mit Sorge auf die zunehmend aggressiver werdenden Reaktionen gegen die Eindämmungsmaßnahmen im Alltag. »Ständig liest man in den Meldungen der Polizei Brandenburg, dass es in Einkaufszentren, in Bussen oder ähnlichen Orten zu Auseinandersetzungen gekommen ist, weil eine Person sich geweigert hat, eine Maske zu tragen«, berichtet Dorina Feldmann. »Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend.«
Einer der lautesten Akteure unter den Maskenverweigerern ist die Gruppierung »Eltern stehen auf«. Sie lehnen Maskenpflicht sowie Abstandsgebote strikt ab und treten für eine »freie Impfentscheidung« ein. Unterstützer mobilisierten in den vergangen Wochen zu Protesten in Wittenberge. Der Aufruf mit dem Titel »Wir Betroffene stehen auf« liegt »nd« vor. Geschichten über angeblich kollabierte Kinder, Zwangsimpfungen und Traumata, die durch Masken ausgelöst werden, stehen dabei im Mittelpunkt der Esoteriksekte.
Die Potsdamer Gruppe veranstaltete am vergangenen Freitag eine »Demo der Kuscheltiere« vor dem Potsdamer Landtag. »Unter den Teilnehmern war auch Maik Schneider, gegen den immer noch wegen eines Brandanschlages auf eine Turnhalle in Nauen prozessiert wird«, so ein Insider.
Auch in der Lausitz ist die Gruppierung mit ihrer Endzeitrhetorik aktiv. Anhänger werden dazu aufgefordert, Protestbriefe an Ministerien, Schulen und Politiker zu senden. »Die Ereignisse von Leipzig und auch am Mittwoch in Berlin haben eine zunehmende Radikalisierung der Bewegung aufgezeigt, auch in Brandenburg schlägt sich das nieder. Konkret wird der Ton rauer«, sagt Feldmann. Nach der verbalen Radikalisierung, so ihre Beobachtung, gehe man in der Szene »zunehmend auch zu Handlungen« über.
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