Noch viel zu tun

Die Cottbuser AfD hat sich zerlegt. Der rechte Spuk ist trotzdem nicht vorbei

  • Sarah Fartuun Heinze
  • Lesedauer: 5 Min.

Das war für mich unheimlich erschreckend«, erinnert sich Barbara Domke an das AfD-Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl 2017 in ihrem Wahlreis Cottbus-Spree-Neiße. Auf über ein Viertel der Stimmen kam die Partei hier. Am nächsten Tag wird Barbara Domke Mitglied bei den Grünen. »Um etwas zu verändern, braucht man eine starke Partei im Hintergrund«, ist Domke überzeugt.

Wenn man so will, hat sich seit 2017 eine Menge verändert. Auch und vor allem, was die Cottbuser AfD betrifft. Bei der Kommunalwahl im Mai 2019 wird die extrem rechte Partei mit über 22 Prozent der Stimmen zwar noch stärkste Kraft in Cottbus und erringt elf der insgesamt 50 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Seither geht es aber - zumindest mit der AfD im Stadtparlament - munter bergab.

Erst verließen Richard Schenker und Monique Buder die AfD-Fraktion, dann Michael Steinberg. Im Juni dieses Jahres gingen schließlich Margit Koal und Dietmar Micklich von der Stange und gründeten zusammen mit Steinberg die Fraktion »Gemeinsam für Cottbus!« Kurz darauf legte Klaus Groß sein Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender nieder und verließ die Partei. Es folgte Ingo Scharmacher. Auch er gab gleich sein Parteibuch mit zurück. Groß nannte als Grund die parteiinterne »Machtübernahme des rechten Flügels« unter dem Faschisten Björn Höcke und dem Rechtsextremen Andreas Kalbitz. Scharmacher mokierte sich zudem über die Kommunikation innerhalb des AfD-Haufens. Wobei dieser Haufen eben inzwischen nur noch ein Häuflein ist. Zwar ist Buder mittlerweile wieder Teil der AfD-Fraktion. Trotzdem ist von der zuvor stärksten Fraktion nicht mehr viel übrig - aus elf mach fünf.

Barbara Domke sagt über den Niedergang der Rechten im Stadtparlament: »Wir Grünen versuchen, das eigene Ego hintanzustellen. Und das habe ich bei der AfD-Fraktion in Cottbus nicht gesehen. Da waren sehr viele Einzelkämpfer. Und das funktioniert in der Kommunalpolitik nicht.« Domke, die seit über 40 Jahren in Cottbus lebt und arbeitet, ist eine der vier Stadtverordneten der Grünen, die 2019 auf 9,1 Prozent kamen. Die Leiterin eines Flüchtlingsheimes in Forst ist Mitorganisatorin des Bürgerbündnisses »Appell von Cottbus«, das durch laute und bunte Aktionen wie dem Stadtfest unter dem Motto »Platzverweis für Höcke!« seit 2019 das Stadtbild mitprägt.

Die Kommunalpolitikerin wird für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus zum Teil heftig angefeindet. Im August dieses Jahres blieb es nicht bei Beleidigungen und Bedrohungen: Unbekannte attackierten ihr Auto, zerstörten die Scheiben und zerstachen die Reifen. Domke geht von einer politisch motivierten Tat aus. Einschüchtern lassen will sie sich nicht, sie kämpft weiter gegen Rechtsextremisten, auf der Straße und im Parlament.

Etwas verändern, etwas bewegen, der AfD etwas entgegensetzen: Das will auch Philipp Gärtner, der seit 2019 für »Unser Cottbus!« im Stadtparlament sitzt. Die von zwei ehemaligen Linke-Politikern mitgegründete Wählergruppe erreichte aus dem Stand 9,4 Prozent und bildet mit der nicht einmal halb so starken FDP eine Fraktionsgemeinschaft, die mit sechs Verordneten inzwischen stärker ist als die AfD. Gärtner, Cottbuser Kulturschaffender und Clubbetreiber, sagt zur Selbstzerlegung der Rechten: »Die Beine haben sie sich selbst gestellt. Das haben wir von außen nicht geschafft, die zu zerreiben.«

Matthias Heine, stellvertretender Leiter des Piccolo Theaters Cottbus und für die Linke aktiv, erinnert sich noch an den Wahlkampf 2019, den er damals mit Gärtner zusammen bestritten hat. »Wir haben diese parteiübergreifende Band gegründet und so einen ein bisschen anderen Wahlkampf gemacht«, erzählt er. »Mit anderen Themen und einem anderen Auftritt.« Seiner Partei brachte das nicht viel. Die Linke, vormals zweitstärkste Kraft, stürzte von 21 auf 13,7 Prozent ab und zählt seither nur noch sieben Stadtverordnete. Einer davon ist Heine.

Über seine Tätigkeit als Kommunalpolitiker sagt Heine: »Es ist eine irrsinnige Arbeit und eine wahnsinnige Aufgabe.« Eine Aufgabe, der die AfD-Fraktion Cottbus ganz offenkundig nicht gewachsen war und ist. »Die wollen mit ihrer polemischen Politik halt an den großen Strippen ziehen, müssen sich jetzt aber mit der Abwassersatzung beschäftigen, und das ist etwas Komplexes«, sagt Heine. »Wie kleinteilig und intelligent funktioniert eigentlich so ein Gemeinweisen.«

Mit dem Schrumpfen der AfD-Fraktion schrumpft auch ihr Einfluss. So sitzt mittlerweile Heine dort, wo vorher ein AfD-Mitglied saß: im Werksausschuss des Cottbuser Jugendkulturzentrums »Glad House«. Wie es mit der Cottbuser AfD-Fraktion weitergeht, bleibt abzuwarten. Eine am Donnerstag veröffentlichte Infratest-Umfrage im Auftrag des RBB zur politischen Stimmung in Brandenburg sieht die Partei inzwischen hinter SPD und CDU nur noch auf dem dritten Platz, dies aber mit nach wie vor 19 Prozent, lediglich viereinhalb Punkte weniger als bei der Landtagswahl im September 2019. Ein Absturz in der Wählergunst sieht anders aus.

Und auch Cottbus selbst bleibt trotz der internen Abgänge eine Hochburg der Rechten. Dass mit Hans-Christoph Berndt ausgerechnet der Vorsitzende des nicht zuletzt in Cottbus aktiven rechtsextremen Vereins »Zukunft Heimat« zum Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag gewählt wurde, passt da ebenso ins Bild wie die von der Partei organisierte Versammlung von Coronaleugnern und Rechtsextremen vor der Stadthalle Cottbus vor drei Wochen.

Auch deshalb werden Barbara Domke, Philipp Gärtner und Matthias Heine ihr kommunal- und gesellschaftspolitisches Engagement fortsetzen. Es sieht so aus, als gäbe es nach wie vor viel zu tun.

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