+++ Impfbereitschaft innerhalb Deutschlands ist unterschiedlich hoch +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Dienstag, 24. November 2020: +++ Klein wirft »Querdenken«-Bewegung Antisemitismus vor +++ Pflegebevollmächtigter: Heimbewohner sollen über Besuch entscheiden +++

  • Lesedauer: 10 Min.

+++ Uni-Studie: Hohe Impfbereitschaft im Norden - geringe im Osten +++

Innerhalb von Deutschland variiert laut einer Studie der Hamburger Universität die Impfbereitschaft gegen das Coronavirus erheblich. Während sich in den nördlichen Bundesländern 63 Prozent impfen lassen würden, sind es in den östlichen Bundesländern nur 52 Prozent, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten repräsentativen Befragung des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) im November. In den westlichen Bundesländern wollen sich 57 Prozent und in den südlichen 55 Prozent impfen lassen. Im Norden lehnen 15 Prozent eine Impfung ab, im Osten sind es 23 Prozent. Der Süden mit 18 Prozent und der Westen mit 20 Prozent liegen dazwischen.

Im europäischen Vergleich ist die Impfbereitschaft der Deutschen gering. 57 Prozent wären bereit, sich impfen zu lassen. In Dänemark liegen die Werte mit 71 Prozent und in Großbritannien mit 69 Prozent wesentlich höher. Nur in Frankreich ist die Impfbereitschaft mit 46 Prozent geringer.

Grund für eine Impfung ist am häufigsten der Wunsch, sich selbst (18 Prozent) und Familienmitglieder (16 Prozent) vor einer Ansteckung zu schützen. Erst an dritter Stelle steht die Hoffnung, mit einer Impfung die derzeitigen Corona-Einschränkungen wieder loszuwerden (13 Prozent). Wer gegen eine Impfung ist, hat meist Sorge vor möglichen Nebenwirkungen.

Zum vierten Mal befragte die Universität Hamburg zusammen mit Partner-Universitäten mehr als 7.000 Menschen in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und Großbritannien zu den Einstellungen, Sorgen und der Impfbereitschaft in der Corona-Pandemie.

+++ Frühere Weihnachtsferien in einigen Bundesländern +++

Auch Bayern und Baden-Württemberg ziehen den Beginn ihrer Weihnachtsferien vor. Letzter Schultag ist in beiden Ländern nun Freitag, der 18. Dezember, wie die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in München und Stuttgart mitteilten. Regulär hätten die Schüler noch am Dienstag, dem 22. Dezember, zur Schule gehen müssen.

Söder begründete das Vorziehen der Ferien mit einem Absenken des Infektionsrisikos. »Das Infektionsrisiko wird durch die fast einwöchige Karenzzeit zwischen Schulunterricht und Weihnachten erheblich gesenkt, damit Familien gesund und unbeschwerter feiern können.«

Als erstes Bundesland hatte Nordrhein-Westfalen das Vorziehen der Weihnachtsferien beschlossen. Der Schritt sorgte allerdings auch für Kritik - an vielen Schulen waren an den Tagen vor Weihnachten noch Klausuren und Klassenarbeiten geplant, der Wegfall der Tage trifft vor allem die Abschlussklassen.

+++ Verluste für Airlines weltweit noch größer als gedacht +++

Den Fluggesellschaften in aller Welt drohen nach Einschätzung ihres Verbandes in diesem und im kommenden Jahr noch höhere Verluste als zuletzt gedacht. Wegen des Geschäftseinbruchs durch die Corona-Pandemie rechnet der Weltluftfahrtverband IATA für das laufende Jahr jetzt mit einem branchenweiten Verlust von 118,5 Milliarden US-Dollar (99,9 Mrd Euro) und damit rund 34 Milliarden mehr als bisher gedacht, wie er vor seiner Jahresversammlung in Amsterdam am Dienstag mitteilte. Für 2021 geht die IATA von einem Gesamtverlust von 38,7 Milliarden Dollar aus. Das wäre fast zweieinhalb Mal so viel wie noch im Juni vorhergesagt. Dem Verband zufolge würde 2021 damit zum zweitschwersten Verlustjahr in der Geschichte der Luftfahrt.

Zwar dürfte der Umsatz der Branche im kommenden Jahr mit 459 Milliarden Dollar die jetzt für 2020 erwarteten 328 Milliarden Dollar übertreffen. Das wäre allerdings immer noch nur gut halb so viel wie die 838 Milliarden Dollar aus dem Vorkrisenjahr 2019. Der Verband hofft, dass Corona-Schnelltests für Reisende und Impfstoffe gegen das Virus bis Mitte 2021 zumindest teilweise zu Öffnung der Grenzen und anschließend zu einer Erholung der Passagiernachfrage führen.

+++ Au-Pairs dürfen wieder nach Deutschland einreisen +++

Nach monatelangen Grenzschließungen wegen der Corona-Pandemie dürfen Au-pairs aus Drittstaaten wieder nach Deutschland einreisen. Der geplante Aufenthalt müsse mindestens sechs Monate betragen, heißt es auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums. Bislang durften nur Au-pairs aus Drittstaaten nur einreisen, wenn diese auf einer sogenannten Positivliste standen.

Au-pair-Agenturen begrüßten die Entscheidung. Zahlreiche Eltern, die in den vergangenen Monaten erhebliche Probleme mit der Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung hatten, könnten nun aufatmen, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung der Gütegemeinschaft Au pair. »Im letzten Jahr waren insgesamt knapp 15.000 ausländische Au-pairs nach Deutschland gekommen. Entsprechend viele deutsche Gasteltern mussten wegen Corona auf die Unterstützung durch ein Au-pair verzichten.«

+++ EU-Behörde: Deutschlands Maßnahmen reichen nicht aus +++

Nach Einschätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC genügen die derzeit in Deutschland geltenden Corona-Maßnahmen womöglich nicht, um die Infektionszahlen bis Weihnachten zu verringern. »Es gibt neun Länder, in denen wir prognostizieren, dass die momentanen Maßnahmen nicht ausreichend sein werden, um zu einem Abwärtstrend bei der Inzidenz der bestätigen Fälle zu führen«, hieß es in einem am Montag veröffentlichten ECDC-Bericht. Dazu zählt demnach auch Deutschland.

Nach einer rasanten Zunahme im Oktober und Anfang November hatte sich die Zahl der gemeldeten Corona-Neuansteckungen in Deutschland zuletzt auf hohem Niveau eingependelt. Die Zunahme habe sich seit der zweiten Novemberwoche abgeflacht, heißt es vom RKI. Anders als erhofft führt der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown mit Schließungen etwa von Kneipen und Restaurants aber offenbar bisher nicht zu deutlich weniger Ansteckungen. Die Sieben-Tage-Inzidenz - die Zahl der Neuinfektionen pro Woche und 100 000 Einwohner - liegt seit Tagen relativ stabil bei rund 140.

Die hohen bundesweiten Fallzahlen gehen nach RKI-Angaben zumeist auf ein diffuses Geschehen zurück. Häufungen gibt es demnach in Haushalten, Gemeinschaftseinrichtungen, Alten- und Pflegeheimen sowie im beruflichen Umfeld und bei religiösen Veranstaltungen. »Für einen großen Anteil der Fälle kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden«, heißt es im Lagebericht vom Montagabend. Seit Mitte Oktober steigt demnach die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle stark an - von 655 Patienten am 15. Oktober auf 3742 am 23. November.

+++ Impfnachweis in Zukunft bei australischer Airline Pflicht +++

Die australische Fluggesellschaft Qantas will nach der Zulassung eines Corona-Impfstoffes nur noch geimpfte Passagiere an Board seiner internationalen Flüge lassen. Das Unternehmen werde die Maßnahme umsetzen, sobald der Öffentlichkeit ein Impfstoff zur Verfügung gestellt werde, sagte Qantas-Chef Alan Joyce am Montag.

Das Unternehmen sei sich noch nicht sicher, ob die Regelung auch Reisende auf Inlandsflügen betreffen soll. Bei internationalen Flügen halte er die Maßnahme jedoch »für eine Notwendigkeit«, sagte Joyce dem Sender Channel Nine. Demnach erwägt Qantas, seine Geschäftsbedingungen entsprechend anzupassen.

Der Qantas-Chef geht davon aus, dass andere Airlines zu einer ähnlichen Praxis übergehen werden, sobald der Öffentlichkeit ein Corona-Impfstoff zur Verfügung steht. Weltweit erwägten Regierungen und Fluggesellschaften bereits die Einführung elektronischer Impfpässe, sagte er.

Am Montag hatte die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung (Iata) angekündigt, dass sich die Entwicklung eines digitalen Gesundheitspasses in der »Endphase« befinde. Der Pass könne zur Aufzeichnung von Corona-Tests oder Impfungen verwendet werden, erklärte die IATA.

Australiens Gesundheitsminister Greg Hunt legte am Dienstag ebenfalls nahe, dass Einreisende künftig eine Corona-Impfung benötigten, wenn sie nicht 14 Tage lang in Quarantäne wollten. »Wir erwarten, dass Menschen, die während der Pandemie nach Australien kommen, entweder geimpft sind oder sich isolieren müssen«, sagte der Minister. Eine »endgültige Entscheidung« stehe aber noch aus, fügte er hinzu.

+++ Rund 13.500 neu gemeldete Infektionen in Deutschland +++

Erwartungsgemäß haben die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) erneut vergleichsweise wenig neue Corona-Infektionen gemeldet. Binnen 24 Stunden wurden 13.554 neue Fälle übermittelt, wie das RKI am Dienstagmorgen bekanntgab. Am vergangenen Dienstag hatte die Zahl bei 14.419 gelegen. Am Freitag war mit 23.648 gemeldeten Fällen ein Höchststand erreicht worden. Zu Beginn der Woche sind die Zahlen regelmäßig vergleichsweise niedrig, weil laut RKI am Wochenende weniger Proben genommen werden und dadurch auch insgesamt weniger getestet wird.

Im Oktober und Anfang November war die Zahl der gemeldeten Corona-Neuansteckungen in Deutschland rasant gestiegen. Nun hat sich der Wert seit etwa zwei Wochen auf hohem Niveau eingependelt. Der nach Inkrafttreten des Teil-Lockdowns erhoffte Rückgang ist bislang nicht klar zu erkennen.

Das RKI zählt seit Beginn der Pandemie insgesamt 942.687 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 24.11., 00.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Dienstag um 249 auf insgesamt 14 361. Das RKI schätzt, dass rund 636.700 Menschen inzwischen genesen sind. Das sogenannte Sieben-Tage-R lag laut RKI-Lagebericht vom Montag bei 0,97 (Vortag: 1,03). Das bedeutet, dass im Durchschnitt jede Person, die mit SARS-CoV-2 infiziert ist, fast eine weitere Person ansteckt. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.

+++ WHO warnt vor vorschnellen Corona-Lockerungen +++

Genf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor Lockerungen von Corona-Restriktionen über Weihnachten, wenn Behörden das Infektionsgeschehen nicht voll unter Kontrolle haben. »Wenn sich Menschen untereinander anstecken und wenn ein Land nicht die nötige Infrastruktur hat, um Fälle zu verfolgen und Kontakte zu isolieren und in Quarantäne zu schicken, dann wird eine Lockerung zu stärkeren Ansteckungen führen«, sagte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan am Montagabend in Genf.

Regierungen müssten sich im Klaren sein, dass sie nur Risiken abwägen könnten. Eine wissenschaftliche Formel, welche Lockerungen vertretbar oder wie viele Feiertage ohne größere Auflagen sicher seien gebe es nicht. »Es gibt nur ein höheres und niedrigeres Risiko, dass die Situation sich bessert oder verschlimmert«, sagte er. Regierungen müssten die Risiken einer stärkeren Ausbreitung des Virus mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Risiken der Beibehaltung von Beschränkungen abwägen. Wenn Menschen sich über die Feiertage nicht treffen dürften, entstehe eine große Frustration, eine Corona- Müdigkeit und womöglich Widerstand gegen die Maßnahmen, räumte er ein.

+++ Klein wirft »Querdenken«-Bewegung Antisemitismus vor +++

Berlin. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat Gleichsetzungen aus der »Querdenken«-Bewegung von aktuellen Corona-Beschränkungen mit der Verfolgung von Juden während des Nationalsozialismus scharf kritisiert. »Die zunehmenden Vergleiche von Protestierenden gegen die Corona-Maßnahmen mit Opfern des Nationalsozialismus verhöhnen die tatsächlichen Opfer und relativieren die Schoah«, sagte er dem »RedaktionsNetzwerk Deutschland«. »Der Holocaust ist kein Abziehbild für jedwede Opfergefühle«, betonte Klein. Die jüngsten Vorgänge in Hannover und Karlsruhe zeigten vielmehr, wie wichtig Bildung sei. »Wer über Anne Frank und Sophie Scholl gut Bescheid weiß, wird kaum solch krude Verharmlosungen äußern.«

Am Samstag hatte eine junge Frau, die sich als »Jana aus Kassel« vorstellte, auf einer »Querdenken«-Bühne in Hannover gesagt: »Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde.« Sophie Scholl und ihr Bruder Hans Scholl gehörten zur Widerstandsgruppe »Weiße Rose«. Sie wurden 1943 wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus hingerichtet. Eine Woche zuvor hatte eine Elfjährige auf einer »Querdenken«-Bühne in Karlsruhe die Tatsache, dass sie ihren Geburtstag nicht wie gewohnt feiern konnte, in Beziehung gesetzt zum Schicksal von Anne Frank, die sich in einem Hinterhaus in Amsterdam vor den Nazis versteckte und später im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben kam.

+++ Heimbewohner sollen über Besuch entscheiden +++

Passau. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, pocht darauf, dass Pflegeeinrichtungen trotz der aktuell hohen Corona-Infektionszahlen weiter Besucher einlassen. Heimbewohner sollten selbst entscheiden, ob sie Besuch empfangen möchten, sagte er der »Passauer Neuen Presse«. »Wir sollten älteren Menschen in den Pflegeeinrichtungen nicht die Fähigkeit absprechen, ihre eigenen Prioritäten zu setzen. Sie müssen selbst entscheiden, was ihnen wichtiger ist.« Es gebe ausreichend medizinische Schutzausrüstung, betonte er. »Da gibt es keinen Mangel mehr.«

An die Pflegeheime appelliert Westerfellhaus: »Mit einem vernünftigen Hygienekonzept mit den vorhandenen Schnelltests und intelligentem Besuchermanagement sollte Besuch von Angehörigen im Regelfall weiter möglich sein.« Die Selbstbestimmung und Autonomie der Bewohnerinnen und Bewohner müsse geachtet werden. »Wir müssen auch das immense und unglaubliche Leid derer sehen, die in der Isolation leben und von ihren Angehörigen getrennt sind«, sagte er. Viele fühlten sich hilflos und einsam. »Gerade in der dunklen Jahreszeit ist es besonders schwer. Es gibt keine klare Perspektive.« Agenturen/nd

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