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Prävention und Repression
Ein Kurswechsel der deutschen Drogenpolitik ist nicht in Sicht
In Deutschland wird es in naher Zukunft keine Entkriminalisierung des Drogenkonsums geben. Das hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig (CSU) am Donnerstag erneut bekräftigt. Neben Prävention, Beratung und Behandlung, Schadensreduzierung sowie Angebotsreduzierung gehört die Strafverfolgung zu den vier Säulen der deutschen Drogenpolitik. Dabei richten den größten Schaden legale Drogen an: Tabak und Alkohol, und zwar mit großem Abstand. Im vergangenen Jahr starben 127 000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums - 6000 mehr als bei der letzten Erhebung 2015.
Als Erfolg präsentierte die Drogenbeauftragte die Verschärfung des Tabakwerbeverbots: Ab 2022 ist Außenwerbung für Zigaretten verboten, für Erhitzer 2023, für E-Zigaretten 2024. In Filmen mit FSK 18 darf künftig nicht für Tabak geworben werden. Der Tabak- und Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen ist im Vergleich zu früheren Jahren gesunken. Doch gesamtgesellschaftlich ist Alkoholkonsum weit verbreitet. Rund 64 Prozent der stationär aufgenommenen Suchterkrankten wurden 2018 wegen Alkohol behandelt, ambulant rund 48 Prozent. 1,8 Millionen Euro will das Gesundheitsministerium (BMG) im kommenden Jahr zusätzlich in die Alkoholprävention stecken. Wie diese aussehen soll, darauf antwortete ein Sprecher des BMG dem »nd« mit Hinweis auf die Ausweitung der Jugendkampagne »Alkohol? Kenn dein Limit!«. Dabei ist die Reichweite der Kampagne in den letzten Jahren gesunken, die Wirksamkeit nicht bestätigt. Der drogenpolitische Sprecher der Linken Niema Movassat kritisiert, dass Alkohol von weiten Teilen der Politik als harmloses Kulturgut behandelt werde. Er sagt dem »nd«: »Als Linke fordern wir ein Verbot von Alkoholwerbung, zudem braucht es endlich Warnhinweise auf Alkoholflaschen, wie dies bei Tabakprodukten schon lange der Fall ist.«
Während Jugendliche weniger rauchen und Alkohol trinken, stieg der Cannabiskonsum der 18- bis 25-Jährigen in den letzten vier Jahren um 57 Prozent. Dort setzt Ludwig denn auch einen Handlungsschwerpunkt. Die drogenpolitische Sprecherin der Grünen Kirsten Kappert-Gonther kritisiert jedoch die Zeigefingermentalität ihrer Präventionskampagne: »Sinnvoller wären Sachinformationen, Kommunikation auf Augenhöhe und das Ende der Prohibition.«
Letztere schließt Ludwig - jedenfalls für diese Legislaturperiode - aus. Über drogenpolitische Überlegungen hinsichtlich einer möglichen Koalition mit den Grünen wollte sich die CSU-Politikerin am Donnerstag nicht äußern. Auch Movassat kritisiert, dass der Schwerpunkt Ludwigs auf Prävention die negativen Folgen der Repressionspolitik fast gänzlich ausblende. »Die Pandemie hat nochmals die Schwächen der deutschen Drogenpolitik deutlich offenbart,« so der Linke-Politiker. Erste belastbare Zahlen dazu, wie die Pandemie den Drogenkonsum beeinflusst hat, erwartet die Ludwig im ersten Quartal 2021. In Gesprächen mit Beratungsstellen habe sich aber gezeigt, dass die Zahl der Menschen, die eine Therapie aufgesucht haben, in dieser Zeit angestiegen sei, so Ludwig. In diesem Bereich will sie die Substitution weiter fördern, ihr Ziel seien 100 000 Substituierte in Deutschland. Zudem will sie das Naloxon-Nasenspray in einem bundesweiten Modellprojekt etablieren. Das Antiopioid kann eingesetzt werden, um eine tödliche Überdosierung abzuwenden. Auch Kokainkonsum sei »in der Mitte der Gesellschaft angekommen,« so Ludwig.
Besonders gestärkt werden müssten Kinder suchtkranker Eltern. Das Beratungszentrum KidKits wird mit 150 000 Euro gefördert. Anfang Dezember soll das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz reformiert werden und es für Kinder vereinfachen, sich Hilfe zu suchen. Kinder und Jugendliche sind auch verstärkt von Medien und Computerspielen gefährdet. Neben den positiven Auswirken sozialer Medien, gerade in der Pandemie, dürfe man Medienkompetenz und -konsum nicht aus den Augen verlieren.
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