Straßen, die auf Sand gebaut werden

Volksinitiative fordert, dass das Land bei der Erschließung die Kosten für die Anlieger übernimmt

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Freien Wähler haben am Montag eine Volksinitiative zur Entlastung von Straßenanliegern gestartet. Ihr Ziel ist, dass das Land Brandenburg die Kosten übernimmt, wenn eine Sandpiste innerhalb einer Gemeinde zu einer ordentlichen Straße ausgebaut wird.

Fraktionschef Péter Vida sagte am Montagmorgen, bevor er die Volksinitiative als Erster unterzeichnete, dass es sich beim Straßenbau um »klassische staatliche Daseinsvorsorge« handele. Es könne nicht länger angehen, dass Menschen, die zufällig an Sandwegen wohnen, »einen horrenden Eigenanteil von 90 Prozent« der Kosten stemmen müssten. »Das ist sozial nicht gerecht, denn schließlich können alle Menschen diese Straße nutzen. Aber nur Anlieger werden zur Kasse gebeten.« Betroffen sind ihm zufolge etwa Anlieger in Blankenfelde-Mahlow, Oranienburg, Falkensee, Rheinsberg und Neuruppin.

Nicht gemeint sind laut Vida völlig neu errichtete Wohngebiete auf der grünen Wiese. Dort sollen die Investoren weiter den Bau der Straßen bezahlen. Anders jedoch sollen Anliegerstraßen behandelt werden, »die seit Jahrzehnten als Straße benutzt werden«, aber bisher nur Sandwege sind. Deren Befestigung müssten nach geltendem Recht die Anlieger bezahlen, »obwohl sie meist kein Mitspracherecht haben«, wie die Straße dimensioniert wird, wie teuer es also wird.

Die Anlieger-Entlaster haben nun ein halbes Jahr Zeit, 20 000 Unterschriften zu sammeln. Zu der Volksinitiative sehen sich die Freien Wähler nach eigener Darstellung gezwungen, da die Koalition aus SPD, CDU und Grünen ihren diesbezüglichen Antrag im Landtag abgelehnt und nicht einmal zugelassen habe, im Infrastrukturausschuss darüber zu diskutieren. Sollte die Volksinitiative Erfolg haben, muss sich das Parlament mit dem Thema befassen.

Vida verwies auf Umfragen, die dem Anliegen eine große Zustimmung in der Bevölkerung verheißen - auch in Kreisen, die davon gar nicht betroffen sind. Optimistisch sind die Freien Wähler auch deshalb, weil es ihnen vor der Landtagswahl 2019 bereits gelungen ist, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu erwirken. Nach langem Tauziehen hatte sich die damalige rot-rot Landesregierung diese Forderung der Freien Wähler zu eigen gemacht. Zuvor hatte eine Volksinitiative mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt.

Ausgegangen ist die neue Volksinitiative von Bürgern wie Stefanie Gebauer aus Kremmen. In Kremmen sei »gegen Verwaltung und Bürgermeister« im Stadtparlament beschlossen worden, zur Erschließung von Straßen keine Beiträge mehr zu erheben. Die Folge sei, so heißt es, dass seit Jahren keine Straße mehr neu gebaut wurde. Da Anlieger nicht mehr bezahlen, müsste die Kommune alle Kosten allein tragen. Das würde aber laut Gebauer dazu führen, dass Kremmen auf Jahre hinaus Kredite für den Straßenbau tilgen müsste und das Geld für notwendige Investitionen in Kitas, Schulen und Feuerwehr fehlen würde. Deshalb müsse das Land einspringen. Das würde laut Vida insgesamt 14 Millionen Euro pro Jahr kosten. Mit dieser Summe könnte man man knapp 20 Kilometer Sandpiste in eine Straße verwandeln.

Gegen die Volksinitiative bestünden juristisch keine Bedenken, urteilte der von den Freien Wählern beauftragte Gutachter Thorsten Schmidt. Er räumte ein, dass Volksinitiativen, die in den Landeshaushalt eingreifen, eigentlich verboten sind. Doch handele es sich bei 20 Millionen Euro um einen sehr geringen Anteil an einem 15 Milliarden Euro im Jahr umfassenden Etat. Die Entlastung der Anlieger sei angezeigt, denn »Erschließungsbeiträge können Menschen in den finanziellen Ruin treiben«, so Schmidt in seinem am Montag vorgelegten Gutachten.

Als »Herzensangelegenheit« bezeichnete Gerhard Kirchner aus Falkensee das Anliegen. Ein älteres Rentnerehepaar würde von der Bank keinen Kredit mehr erhalten, um den Erschließungsbeitrag zu bezahlen, sagte der Stadtverordnete. Den Anliegern werde weis gemacht, dass der Wert des Grundstücks durch den Straßenbau steige, obwohl dieser Zusammenhang gar nicht bestehe. Unter Umständen treffe sogar das Gegenteil zu, erläuterte Gutachter Schmidt. Denn eine gut ausgebaute Straße ziehe auch mehr Verkehr nach sich. Mit dem Verkehrslärm sinke der Grundstückswert, so die Überlegung.

Freie-Wähler-Landeschef Vida will derweil das Argument nicht gelten lassen, dass in Corona-Zeiten Mehrausgaben nicht ins Bild passen würden. Wenn Brandenburg von 4000 Kilometern Sandpisten ausgehe, die noch in Straßen umzuwandeln wären, so sei das viel zu viel. Es würden dort auch Feldwege mitgerechnet, bei denen niemand die Absicht habe, sie in Straßen umzuwandeln.

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