Sánchez einen Schritt weiter

Spaniens Ministerpräsident gewinnt eigene Mehrheit für den Haushalt

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Drei Jahre wurde Spanien mit einem Haushalt regiert, den noch 2017 die rechte Regierung von Mariano Rajoy verabschiedet hatte. In der tiefen Corona- und Wirtschaftskrise ist es der Minderheitsregierung unter Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE mit einigen Zugeständnissen und Versprechungen gelungen, eine Mehrheit für seinen Etat zu schmieden. Er hat es geschafft, linksnationalistische baskische und katalanische Parteien für den Haushalt zu gewinnen. Im Januar hatten sich die baskische EH Bildu (Baskenland Vereinen) und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) bei der Amtseinführung von Sánchez nur enthalten. So wurde er erst im zweiten Wahlgang ohne absolute Mehrheit gewählt, weil er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekam. Sein Haushalt erhält dagegen am Donnerstag mit 187 Stimmen eine klare absolute Mehrheit. In Spaniens Parlament sitzen 350 Abgeordnete, die regierende Koalitionsregierung aus PSOE (120) und der Linkspartei Unidas Podemos (35) kommt nur auf 155 Sitze und ist damit 21 Sitze von der absoluten Mehrheit entfernt.

»Wir wollen eine für die Menschen nützliche Linke sein«, erklärten ERC und EH Bildu auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Zuvor hatten sie den Weg freigemacht und einen Änderungsantrag zurückgezogen, der einen Stopp von Zwangsräumungen wegen der Corona-Misere im Land bis 2022 vorsah. Die Regierung hat versprochen, dazu ein Dekret zu verabschieden. Mit der tiefen Krise im Gesundheitswesen und der ökonomischen Krise wird der neue Schmusekurs begründet, da auch europäische Hilfsgelder an die Verabschiedung eines Haushalts gekoppelt sind.

Auch die rechts-neoliberale Ciudadanos-Partei (Cs) hatte Sánchez seine Unterstützung für den Haushalt unter gewissen Bedingungen angeboten. Deswegen erkläre Bildu-Chef Arnaldo Otegi: »Wir können nicht zulassen, dass auch in dieser Krise wieder die einfachen Leute die Zeche zahlen.« Man müsse die »Ultrarechte« stoppen, um »Rechte zu erweitern und zu schützen«. Auch die stellvertretende ERC-Generalsekretärin Marta Vilalta will »die Rechte zur Seite drängen, die die Kontrolle über die Entscheidungen im Staat erhalten will.« Die rechte Volkspartei PP und die ultrarechte Vox befindet sich in Radikalopposition zur Regierung, die rechts-neoliberale Cs laviert hin und her.

Die Ziele von EH Bildu und ERC reichen über den Haushalt hinaus. Man wolle in Richtung Unabhängigkeit des Baskenlands und Kataloniens genauso vorankommen, wie man der Bevölkerung bei ihren täglichen Nöten helfen wolle. »Das eine hat ohne das andere keinen Sinn«, sagte Vilalta. Sie will auch die »Repression« stoppen, eine »Amnestie« erreichen und in der Konfliktlösung vorankommen. Schließlich befinden sich etliche katalanische Politiker im Exil oder im Gefängnis, darunter auch der ERC-Chef Oriol Junqueras. Der genießt, nach Urteil des Europäischen Gerichtshofs Immunität, und müsste im Europaparlament und nicht im Gefängnis sitzen.

Die ERC hatte diese Ziele schon im Januar vorgegeben und ihre Unterstützung für Sánchez an einen Dialog zur Konfliktlösung gebunden. Im »nd«-Gespräch hatte Vilalta erklärt, dass die schnell »beendet« wäre, »wenn es am Verhandlungstisch nicht vorangeht«. Faktisch gab es aber nie effektive Verhandlungen. Trotzdem lenkte die ERC beim Haushalt ein. Auch die Repression zieht immer weitere Kreise. Wegen einer Bagatelle wurde Regierungschef Quim Torra von der Partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat) abgesetzt.

Für Februar sind in Katalonien wegen der Absetzung Torras Neuwahlen angesetzt, bei denen die ERC erstmals stärkste Kraft werden will. Das ist nach Umfragen möglich, da die ehemalige Christdemokratie gespalten ist. So wollen zum Beispiel in Madrid jetzt auch vier abtrünnige Abgeordnete für den Haushalt stimmen, die aus der JxCat des Exilpräsidenten Carles Puigdemont ausgeschert sind. Sie firmieren jetzt eigenständig unter PdeCAT und treten auch in Katalonien separat zur JxCat an. Die Spaltung des Mitte-rechts-Lagers ist perfekt.

JxCat hat die beliebte und charismatische Laura Borràs zur Spitzenkandidatin gekürt. Die unabhängige Kandidatin, die auch viele Linke anspricht, kritisiert das Verhalten der ERC genauso scharf als »unverantwortlich« wie die linksradikale CUP. Man könne dem Haushalt nicht für »nichts oder fast nichts« absegnen. Der sei ohnehin nicht geeignet, um die »schwerwiegenden politischen und ökonomischen Probleme zu lösen«.

Für die antikapitalistische CUP erklärte die Parlamentarierin Mireia Vehí, die ERC habe nun die Politik der früheren Christdemokratie übernommen. »Es ist so, als sei die alte Konvergenz zurückgekehrt.« Für einige Infrastrukturmaßnahmen und Investitionen werde über die »politische Verfolgung« hinweggesehen.

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