Flutgefährdetes Freiluftgefängnis

Bangladesch siedelt geflüchtete Rohinga auf eine hochwassergefährdete Insel um

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Verglichen mit den provisorischen Unterkünften in den Flüchtlingslagern um die Stadt Cox’s Bazar sehen die empfangsbereiten Häuser in den neuen Siedlungen auf der Insel Basan Char zumindest solide aus. Doch ob sich mit der Umsiedlung für die nach Bangladesch geflüchteten Rohingya etwas verbessert, darf bezweifelt werden. Seit Bangladesch vor drei Jahren binnen nur sechs Monaten 775 000 Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit aus Myanmar aufnehmen musste, leben diese in unwirtlichen Verhältnissen. Nun werden sie auf eine Insel gepfercht, die dazu hochwassergefährdet ist.

Für die Umsiedlungspläne auf Basan Char war Bangladesch wiederholt kritisiert worden, von Rohingya-Sprecher*innen, Menschenrechtgruppen und auch dem UN-Flüchtlingshilfswerk. Die Insel, 2006 durch in einem Fluss aus dem Himalaya mitgebrachte Sedimente entstanden, ist der Küste etwa 60 Kilometer vorgelagert und damit eine Art riesiges Freiluftgefängnis im Wasser. Zwar haben die Behörden, die allein zum Bau der Häuser 14 000 Menschen beschäftigten, darüber hinaus einiges in Aufschüttungen und bis zu 120 Zyklonschutzbauten investiert. Doch das flache Eiland bleibt massiv hochwassergefährdet.

Eigentlich waren die Rohingya vor drei Jahren nach Bangladesch geflohen, um Schutz und Zuflucht vor Mord, Misshandlungen, sexueller Gewalt und dem teilweisen Niederbrennen ganzer Dörfer zu finden. Zehntausende andere waren schon in den Jahren zuvor vor der herrschenden Diskriminierung im heimatlichen Bundesstaat Rakhine im Westen Myanmars und dort seit 2011 immer wieder aufflackernden Pogromen geflohen. Doch im August 2017 setzte eine brutale Militäroffensive - nach offizieller Begründung die Antwort auf Überfälle von Rebellen der »Arakan Rohingya Salvation Army« auf einige Polizeistationen und einen Armeeposten - einen Massenexodus in Gang, der alles zuvor in den Schatten stellte. Nicht alle überlebten die Flucht in das Land, viele waren traumatisiert: Etliche Frauen berichteten von Vergewaltigungen, andere hatten die Ermordung von Angehörigen mit ansehen müssen.

In dem Lagerkomplex von Cox’s Bazar hatten sich alle notdürftig eingerichtet. Nach dem ersten Chaos gibt es inzwischen auch rudimentäre Bildungsangebote für die Kinder, allein 76 000 Babys, so die Organisation Save the Children im August, kamen inzwischen in den Camps zur Welt. In dem Land, das ihren Eltern Aufnahme bot, sind sie Fremde. Ob sie die Heimat ihrer Familien je sehen werden, ist ungewiss. Denn die Masse der Geflüchteten verweigert eine Heimkehr, fürchtet in Myanmar noch immer um Unversehrtheit und Leben. Mehrere Repatriierungsinitiativen hat das schon scheitern lassen. Lediglich wenige Hundert Menschen nahmen die Offerte an. Und Myanmar, das wegen der brutalen Militäroffensive mit dem Vorwurf des Genozids vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angeklagt ist, will niemanden ohne »ausreichenden Identitätsnachweis« zurücklassen - ein weiteres Hemmnis für Menschen, die zumeist nur mit dem flüchten konnten, was sie gerade auf dem Leib trugen.

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