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Umverteilung geht an die Substanz

Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt auf, wie eine neue Vermögensteuer aussehen könnte

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

In Deutschland ist der Reichtum bekanntlich sehr ungleich verteilt. Grob geschätzt besitzen die reichsten zehn Prozent knapp zwei Drittel des gesamten Privatvermögens, das reichte Prozent mehr als ein Drittel und die reichsten 0,1 Prozent ein Fünftel. »Über Jahrzehnte hat der kapitalistische Akkumulationsprozess zu einer krassen Ungleichheit und zu Riesenvermögen geführt, die durch geniale Ideen und individuelle Leistung bei Weitem nicht zu erklären sind«, heißt es dazu in einer Studie der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), die »nd« vorliegt und am Freitag erscheint.

Die beiden Autoren, der ehemalige Bundestagsabgeordnete und finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion Axel Troost und der Ökonom Rainald Ötsch, plädieren darin für die Wiedererhebung einer Vermögensteuer. Ihnen zufolge könnte der Staat damit, je nach Ausgestaltung, jährlich 51 bis 64 Milliarden Euro einnehmen. »Eine Vermögensteuer mit hohem Steuersatz und ausreichenden Freibeträgen würde die Vermögenselite treffen und ihren Reichtum stückweise sozialisieren«, schreiben Troost und Ötsch. Der Rückgriff auf die Vermögenssubstanz sei dabei gewollt und rechtlich grundsätzlich zulässig.

Die Vermögensteuer darf nicht mit der Vermögensabgabe verwechselt werden. So fließen die Einnahmen der Steuer an die Länder, die der Abgabe an den Bund. Auch wenn die Abgabe über einen längeren Zeitraum abgestottert wird, darf sie nur einmal zu einem bestimmten Anlass erhoben werden, wenn der Staat einen außerordentlichen Finanzbedarf hat. Dies geschah in der Geschichte der Bundesrepublik erst einmal in den 1950er Jahren mit der Einführung des Lastenausgleichs, mit dem Entschädigungen und Hilfen für Kriegsfolgen finanziert wurden.

Später kam immer wieder die Forderung nach Einführung einer Abgabe auf, zum Beispiel im Rahmen der Finanzkrise von 2007/8 und nun auch in der Coronakrise. So ließ sich die Linksfraktion im Bundestag jüngst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ein Konzept für eine Vermögensabgabe erstellen, mit der der Staat über einen Zeitraum von 20 Jahren gestreckt insgesamt 310 Milliarden Euro zur Finanzierung der Kosten der Coronakrise einnehmen könnte.

Im Gegensatz zur Vermögensabgabe kann die Vermögensteuer nicht nur einmalig, sondern ständig erhoben werden. Genau genommen gibt es sie auch bereits. Sie wird seit 1997 nur nicht mehr erhoben. Denn 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Vermögensteuer in ihrer damaligen Form verfassungswidrig war, weil sie Immobilienbesitz gegenüber anderen Vermögensformen bevorzugte. Statt eine grundgesetzkonforme Neuregelung auf den Weg zu bringen, entschied sich die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Helmut Kohl, ganz auf die Steuer zu verzichten.

Seitdem gab es immer wieder Bestrebungen einer Wiedereinführung, die jedoch an den Kräfteverhältnissen in Bundesrat und Bundestag scheiterten. So gab es 2012 eine Initiative der SPD-geführten Länder unter der Führung des damaligen NRW-Finanzministers und jetzigen Co-Chefs der Sozialdemokraten, Norbert Walter-Borjans. Im Sommer 2019 fällte das SPD-Präsidium einen Beschluss, in dem es die Wiedereinführung der Vermögenssteuer forderte. Auch der DGB plädiert dafür. Und bei den Grünen heißt es, dass Superreiche »über eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer mehr als bisher« zum Gemeinwesen beitragen sollen.

Die Linkspartei fordert schon länger die Wiedereinführung der Vermögensteuer in Form einer Millionärssteuer. »Wir wollen, dass Vermögen ab einer Million Euro mit fünf Prozent besteuert werden«, heißt es in ihrem Bundestagswahlprogramm von 2017. Im Gegensatz dazu wird in der RLS-Studie nun ein progressiver Steuersatz vorgeschlagen, ähnlich wie bei der Einkommenssteuer. »Linke Finanzpolitik arbeitet immer mit progressiven Tarifen«, sagt Studienautor Axel Troost. »Wer mehr hat, soll im Verhältnis zu seinem Vermögen auch relativ mehr zahlen müssen.«

In der RLS-Studie schlagen Troost und sein Mitstreiter Ötsch vor, die Steuer ab einem persönlichen Freibetrag von einer Million Euro zu erheben. Für betriebsnotwendiges Vermögen von Unternehmen könnte der Freibetrag fünf Millionen Euro betragen. Ab dieser Schwelle könnte ein Steuersatz von zunächst einem Prozent erhoben werden, der bei höheren Vermögen linear auf bis zu fünf Prozent ansteigt. Je nach Ausgestaltung könnten diese fünf Prozent ab einem Nettovermögen von 30 Millionen Euro, 50 Millionen Euro oder 100 Millionen Euro fällig werden. So könnte der Staat jährlich 51, 58 beziehungsweise 64 Milliarden Euro einnehmen.

Damit würde die Vermögensteuer weitaus mehr Geld umverteilen, als in den Formen, wie sie DGB und SPD vorschlagen. Die Sozialdemokraten schlagen in ihrem Präsidiumsbeschluss quasi eine Flatrate von einem Prozent für Vermögen ab einer Höhe von einer Million Euro vor. Dies soll zehn Milliarden Euro bringen. Zwar fordert der DGB wie auch die Linke eine progressive Vermögensteuer. Diese soll aber laut den Vorstellungen der Gewerkschafter maximal zwei Prozent betragen. Auch soll der Spitzensteuersatz erst ab einem Vermögen von einer Milliarde Euro abgedrückt werden.

Die RLS-Studie kann abgerufen werden unter: www.rosalux.de/publikation/id/43496

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