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Koste es, was es wolle
Spielt Geld noch eine Rolle? Bei der Impfung gegen Sars-CoV-2 offenbar weniger
Zwar liegt aktuell noch keine Zulassung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für einen der Impstoffe gegen Sars-CoV-2 vor, mit einem ersten Kandidaten - dem Wirkstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer - wird aber noch in diesem Jahr gerechnet. Dann könnten bald die ersten Lieferungen in Deutschland eintreffen, Impfzentren und mobile Teams ihre Arbeit aufnehmen. Bei den Kosten für das gesamte Unternehmen wird bislang vor allem über Impfstoffe gesprochen.
Insgesamt bewegen sich die Preise je Impfstoffdosis nach verschiedenen Berichten zwischen 37 und 4 US-Dollar. Der Höchstwert wird in diesem Ranking von dem Moderna-Vakzin erreicht, es folgen CoronaVac von Sinovac (30 US-Dollar), der Pfizer-Biontech-Impfstoff (20 US-Dollar), die russische Variante Gam-Covid-Vac Sputnik V (10 US-Dollar), mit dem gleichen Preis das Produkt von Johnson & Johnson. Am preiswertesten ist der Astra-Zeneca-Wirkstoff. Die Preisunterschiede erklären sich auch aus verschiedenen Wirkmechanismen und Anforderungen an die Lagertemperatur.
Da etliche, vor allem westliche Industriestaaten sich vorab große Mengen der verschiedenen Impfstoffe gesichert haben, kann man davon ausgehen, dass hier Preisnachlässe ausgehandelt wurden. Da die Verträge geheim gehalten werden, sind kaum mehr als Spekulationen über die Gesamtausgaben in dieser Frage möglich.
Das »Handelsblatt« verwies in dieser Woche auf ein internes Papier aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) von Anfang Dezember, in dem aufgeschlüsselt wird, mit welchen Lieferungen der Impfstoffproduzenten die Bundesregierung rechnet. Demnach stammen 250 Millionen Impfstoffdosen aus der gemeinsamen Beschaffung der EU. Außerdem stehen etwa 50 Millionen Impfdosen aus Verträgen mit drei nationalen Herstellern in Aussicht, für die Biontech, Curevac und IDT Biologika 750 Millionen Euro an zusätzlicher Forschungsförderung bereitgestellt wurden. Dieser Betrag ist also einzupreisen, wenn es um die Kosten für die Impfstoffbeschaffung geht. Auf der Basis von insgesamt 300 Millionen Impfstoffdosen zu einem mittleren Preis von 20 Euro ergibt sich ohne diese Förderung fiktiv eine mittlere Summe von sechs Milliarden Euro.
Die Kosten für die Vakzine will der Bund übernehmen, wie es auch in der Nationalen Impfstrategie zu Sars-CoV-2 heißt. Für das Papier von Anfang November zeichnen BMG, Robert-Koch- und Paul-Ehrlich-Institut sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Damit können alle Bürger die Impfung erhalten, unabhängig von ihrem Versicherungsstatus, und ohne dass die Kassen - ob privat oder gesetzlich - davon belastet werden.
Auch wenn die hier aufgestellte Rechnung rein spekulativ ist, die Kosten für den Impfstoff selbst sind nur ein Teil des Gesamtpaketes. Hinzu kommen Ausgaben für Transport, Lagerung, Impfzentren und das Personal, darunter Ärzte. Nicht zu vergessen der Aufwand, um die Angehörigen der verschiedenen Risikogruppen ausfindig zu machen, einzuladen sowie die Dokumentation des Ganzen.
Bislang gibt es bei den möglichen Kostenträgern allenfalls grobe Vorstellungen über die Gesamtausgaben, was nicht verwunderlich ist. Denn weder ist bekannt, welche der vorbestellten Impfstoffe tatsächlich und wann eine europäische Zulassung erhalten, noch wann sie in welchem Umfang geliefert werden. Unklar ist ebenfalls, in welchem Maße die Bevölkerung das Impfangebot wahrnimmt.
Trotz dieser Unsicherheitsfaktoren existiert im Gesundheitsministerium »schon« ein Referentenentwurf für eine Coronavirus-Impfverordnung. Danach ist vorgesehen, dass die Kosten für die Impfzentren zu 46,5 Prozent aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds getragen werden (was bedeutet, dass hier neben den Beiträgen der Gesetzlichen Krankenversicherung - GKV - auch ein Zuschuss aus Steuermitteln des Bundes einfließt). Mit 3,5 Prozent sollen sich die Privaten Krankenversicherungen (PKV) beteiligen. Die andere Hälfte der Kosten müssen die Bundesländer aufbringen. Nicht in diese hälftige Zuzahlung einbezogen sind hingegen laut Gesetzentwurf die Kosten für eigenes Personal der Länder und Kommunen.
Für die Absicherung der weiteren Logistik der Impfkampagne sind Kooperationen der Bundesländer mit »Dritten« möglich, etwa mit der Bundeswehr oder Logistikunternehmen. Darunter fallen auch Anlieferungszentren in den Bundesländern, von denen aktuell 27 geplant sind. Diese Kosten könnten die Länder ebenfalls aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und von der PKV zurückerstattet bekommen.
Für die Bundesländer ist die Höhe der zu erwartenden eigenen Kosten ebenfalls nur grob abschätzbar. Ein Beispiel aus Hamburg: Dort rechnet der Senat allein für Errichtung und Betrieb des zentralen Impfzentrums in den Messehallen mit Kosten und zwischen 15 und 30 Millionen Euro, abhängig von Dauer, Betriebsbeginn und Auslastung des Zentrums. Dort sollen bis zu 7000 Impfungen täglich möglich sein. Für die Bundesländer gilt, nach einer Anfangsphase der Impfkampagne auf rein staatlicher Basis, dass die Impfungen mittelfristig bei den niedergelassenen Ärzten als Kassenleistung möglich werden sollen.
Die Kostenverteilung bis zu diesem Zeitpunkt, mit einer starken Beteiligung der GKV, wird jedoch - wieder einmal - nur in einer Rechtsverordnung geregelt, nicht in einem durch Bundestag und Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetz. Bedenken in dieser Frage äußerte der gesundheitspolitischer Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Achim Kessler, gegenüber »nd«: »Es bleibt Bundesgesundheitsminister Spahns Geheimnis, warum er sich entgegen aller Forderungen nach Transparenz und demokratischer Mitbestimmung für eine Rechtsverordnung entscheidet und keinen Gesetzesentwurf zum Impfen gegen Covid-19 vorlegt. Das Parlament hat oft genug bewiesen, dass es auch schnell entscheidungsfähig ist.« Eine gesetzliche Regelung erscheint auch deshalb angemessen, weil die Ausgaben in Folge der Corona-Pandemie auch das Budget des Gesundheitsministeriums wachsen lassen. Im Etat für 2021 sind laut Haushaltsberatungen des Bundestages in dieser Woche schon 2,7 Milliarden Euro an Zuschüssen für die zentrale Beschaffung von Impfstoffen vorgesehen, außerdem weitere 90 Millionen Euro für die Förderung der Impfstoffentwicklung. Der Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds, in den regelhaft schon 14,5 Milliarden Euro des Gesundheitsetats fließen, wird 2021 noch einmal um fünf Milliarden Euro aufgestockt. Aber erst die Gesamtkosten der Pandemie, darunter auch für Impfungen, können zeigen, ob der Staat hier - trotz der genannten Summen - nicht einen schlanken Fuß macht. Auch deshalb gehören die Ausgaben zur Pandemiebekämpfung, gerade in entscheidenden Punkten wie der Impfung, zu den Themen, die in den Parlamenten von Bund und Ländern transparent zu verhandeln sind.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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