Chanukka-Feier von Polizei aufgelöst

Kerzenentzündung neben dem Potsdamer Landtagsgebäude vorzeitig beendet

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

»Nur noch ein Lied«, bat der Vorsitzende der Synagogengemeinde Potsdam, Ud Joffe. »Nein, keins mehr!«, rief eine Dame, offenbar von der Stadtverwaltung. Der Vorsitzende ließ sich aber nicht beirren und sang gemeinsam mit den Kindern der Synagogengemeinde die erste Strophe eines fromm-fröhlichen Liedes. Dann konnte er nur noch eilig verkünden, dass an alle Anwesenden ein Beutel mit Chanukka-Kerzenständer und -Kerzen verteilt würde. Für die Kinder sei ein »Berliner« darin, »nein, ein Krapfen – ein Pfannkuchen eben«.

Während die Beutel ihren Besitzer wechselten, stellte sich der Gemeindevorsitzende den anwesenden Polizeibeamten. Sie beharrten ihm gegenüber auf die Nichtgenehmigung der Versammlung. »Das ist ein Missverständnis, wir haben die Genehmigung«, sagte Joffe. »Das ist auch keine Versammlung, sondern ein Gottesdienst.«

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Ob die aktuelle Corona-Verfügung hier den Ausschlag gegeben hatte, war zunächst unklar. Bei dem jüdischen Fest waren auch Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke und Kulturministerin Manja Schüle anwesend. Auch der Vorsitzende der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung Pete Heuer (alle SPD) schritt bei dem Vorgang nicht ein. Wie seit zehn Jahren war an diesem Abend die dritte Kerze des Chanukka-Leuchters entzündet worden, der groß und mächtig neben dem Landtagsgebäude errichtet worden war.

Präsidentin Liedtke selbst war zusammen mit Joffe auf einer Hebebühne emporgehoben worden und war am Entzünden (genau: am Anschalten der Glühlampen) beteiligt. Kulturministerin Schüle hatte zuvor vom Rednermikrofon aus der Familie eines jüdischen Würdenträgers aus Potsdam alles Gute gewünscht, deren Tochter Corona-positiv getestet worden war, und der selbst aus den Quarantänegründen nicht an diesem feierlichen Akt teilnehmen konnte.

Die Landtagspräsidentin hatte vor den rund 100 Teilnehmern des Gottesdienstes daran erinnert, dass Deutschland vor 75 Jahren vom Hitlerfaschismus befreit worden sei, der unermessliches Leid über die Juden Europas gebracht hatte. Auch heute würden sich Juden in Deutschland nicht sicher fühlen und seien Anfeindungen ausgesetzt.

In seiner Ansprache hatte der Vorsitzende der Gemeinde mehrfach das deutsche Weihnachtslied »Alle Jahre wieder« zitiert, das an die Geburt des weltbekannten Joshua vor mehr als 2000 Jahren erinnert, den die Griechen später Jesus Christus nannten. Weil die Juden in der Antike standhaft geblieben seien und sich der Vielgötterei der Griechen nicht unterwarfen, würden heute Milliarden Menschen auf der Welt – als Juden, Christen oder Muslime – dem einen Gott huldigen.

In Potsdam gibt es drei jüdische Gemeinden, und sie sind einander heute weniger grün denn je, wie an diesem Abend ebenso deutlich wurde. Ein wichtiger Streitpunkt ist der Neubau der Potsdamer Synagoge, ein Projekt, bei dem seit Jahrzehnten keine Einigkeit herstellbar ist. Ud Joffe sagte, im vergangenen Jahr hätten sich noch alle drei jüdischen Gemeinden der Landeshauptstadt an dieser Zeremonie beteiligt, leider seien die anderen diesmal ferngeblieben. »Heute feiert jede Gemeinde für sich.«

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