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  • Aufrüstung bei der Bundeswehr

Vorerst keine deutschen Kampfdrohnen

Koalitionszwist: SPD verschiebt ihre Zustimmung zur Beschaffung, Union empört über Wortbruch

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich schien alles klar. Für Mittwoch waren im Verteidigungs- und im Haushaltsausschuss des Bundestages Debatten über die Beschaffung israelischer Heron-TP-Drohnen samt Bewaffnung für die Bundeswehr geplant. Ab 2025 sollen sie zum Einsatz kommen. Das Verteidigungsministerium hatte im November seinen Bedarf im Finanzministerium angemeldet. Angesichts der Mehrheiten im Parlament schien eine Zustimmung zu dem neuen Waffensystem noch in diesem Jahr reine Formsache zu sein.

Doch es kam anders. Am Dienstag trafen sich die SPD-Abgeordneten zu ihrer letzten Fraktionssitzung in diesem Jahr. Zur Debatte stand das Drohnenthema. Wie bereits der Co-Vorsitzende der Partei, Norbert Walter-Borjans, in der vergangenen Woche, befand nun auch eine Mehrheit der SPD-Bundestagsabgeordneten, über Für und Wider eines Einsatzes bewaffneter Drohnen sei nicht ausreichend debattiert worden. Das Nahen des Bundestagswahlkampfes dürfte Einfluss auf die Vertagung der Entscheidung gehabt haben: Fraktionschef Rolf Mützenich plädierte dafür, in dieser Legislaturperiode nicht mehr über die Beschaffung des Heron-TP-Systems zu entscheiden. Empört legte daraufhin der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion sein Amt nieder. Das Vorgehen seiner Partei stelle ihn als Befürworter bewaffneter Drohnen vor ein Dilemma, teilte Fritz Felgentreu am Dienstag um 18 Uhr via Twitter mit: Entweder er distanziere sich öffentlich von der Bundeswehr oder von seiner Fraktion und Partei. Da von einem verteidigungspolitischen Sprecher aber Loyalität gegenüber der Führung und der Mehrheit der Fraktion erwartet werde, gebe er sein Amt ab. Felgentreu kandidiert indes bei der kommenden Bundestagswahl ohnehin nicht mehr.

Grüne und FDP hatten die Kritik, es habe keine gründliche Debatte über die Bewaffnung deutscher Drohnen gegeben, stets zurückgewiesen und die SPD aufgefordert, sich endlich zu entscheiden. Dagegen freute sich Linksfraktionsvize Tobias Pflüger, »Vernunft und gute Argumente« hätten sich bei der SPD durchgesetzt. Er hoffe, »dass damit auch in Zukunft eine Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr unmöglich wird«. Einen entsprechenden Antrag hatte seine Fraktion bereits ins Parlament eingebracht. Er steht an diesem Donnerstag auf der Tagesordnung - und wird vermutlich trotz der Neujustierung der SPD-Fraktion keine Mehrheit finden.

Die Union ist extrem verärgert über den SPD-Rückzieher. »Nach zwei Legislaturperioden Ringen um eine gute Entscheidung für die Bundeswehr« habe die SPD »ihr Wort gebrochen«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher, Henning Otte, am Mittwoch in der ARD. Die Sozialdemokraten würden nicht zur Vereinbarung über die Kampfdrohnenbeschaffung im Koalitionsvertrag und damit auch nicht mehr zu den Soldatinnen und Soldaten stehen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dankte Felgentreu für dessen Engagement und fühlte - gleichfalls bei Twitter - im doppelten Sinn einen bitteren Tag für die Bundeswehr. Dass zu wenig über die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr debattiert worden sein, streitet auch sie ab.

Befürworter bewaffneter Drohnen behaupten jetzt erneut, dass die Truppe bei Einsätzen ohne sie schutzlos wäre. Gegner des Aufrüstungsvorhabens warnen wiederum, solche Waffensysteme wären ein großer Schritt hin zum automatisierten Krieg. Unbemannte Flugkörper würden wie fernbediente Waffen am Boden oder zur See die Hemmschwelle zum Töten senken. Zudem, so heißt es in einer von der Berliner SPD jüngst beschlossenen Resolution, sei der beste Schutz für die Soldaten, sie nicht erst in Einsätze zu schicken.

Beide Positionen beinhalten richtige Elemente, die zumeist jedoch höchst einseitig interpretiert werden. So stellt das Verteidigungsministerium stets nur die Defensivwirkung solcher Waffen dar. Man versichert, dass man die Fluggeräte nicht wie die USA zu illegalen Mordaktionen einsetzen werde.

Wie offensiv Drohnen generell eingesetzt werden können, zeigt sich deutlich im aktuellen Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien. Er wird unter anderem von Experten in der Nato als eine Art Testfall für moderne Kriege gesehen und dient der Entwicklung neuer Strategien. Sie betreffen vor allem Methoden zur Überwindung herkömmlicher Luftverteidigungssysteme.

Aserbaidschan setzt auf türkische Drohnen und nutzte modernste israelische Technik. Vor allem durch die Kombination von Aufklärungs- und Angriffsdrohnen sowie den Einsatz von Cybersystemen konnte man sich beachtliche Vorteile verschaffen. Armeniens gepanzerte Kräfte hatten so kaum eine Chance, in die Kämpfe einzugreifen. Das lässt bei Militärs Hoffnungen reifen, dass man mit Hilfe von Drohnen auch Länder wie Russland, die über zahlreiche - und moderne Panzertruppen - verfügen, bezwingen kann. Solche Überlegungen erhöhen die Gefahr eines verstärktes Wettrüstens bei automatisierten Waffensystemen.

Ähnliche Methoden wie die in den Kämpfen um Bergkarabach angewandten erprobte die türkische Armee in Libyen.Auch dort zeigte man sich gegenüber den von der Gegenseite eingesetzten russischen Flugabwehrsystemen überlegen. Auch an den Drohnenattacken Irans 2019 gegen saudische Ölanlagen zeigt sich das Angriffspotenzial neuer Drohnentechnologien - und dass hier mit relativ geringem Finanzeinsatz enorme Schäden verursacht werden können.

Das Leasing von Heron-TP-Drohnen ist für die Bundeswehr ohnehin nur eine Übergangslösung. Anfang 2021 will die Bundesregierung mit drei weiteren Staaten den Vertrag zur Entwicklung einer bewaffneten »Eurodrohne« unterzeichnen. Sie soll von den Firmen Dassault Aviation aus Frankreich, Leonardo aus Italien und von Airbus unter anderem im bayerischen Manching gefertigt werden. Auch Spanien beteiligt sich an dem Projekt. 21 Maschinen mit einer Nutzlast von bis zu 2,3 Tonnen soll die Bundeswehr ab 2028 erhalten. Kommentar Seite 8

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