Mutiertes Coronavirus in Großbritannien
EU-Staaten machen dicht. Experten sehen bislang kein Problem für die Impfwirkung
Eine veränderte Variante des Coronavirus Sars-CoV-2 breitet sich rasant in Südostengland aus. Sie sei bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form, heißt es. »Sie ist außer Kontrolle, und wir müssen sie wieder unter Kontrolle bekommen«, sagte Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag der BBC. Premierminister Boris Johnson betonte, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Mutation schwerere Krankheitsverläufe oder eine höhere Sterblichkeitsrate auslöse oder dass Impfstoffe gegen die Mutation weniger effektiv seien.
Um das Virus einzudämmen, gilt aber seit Sonntag in der Hauptstadt London und weiten Teilen Südostenglands auch über die Weihnachtstage ein harter Shutdown mit Ausgangssperren. Mehr als 16 Millionen Menschen sind betroffen, die ihre Häuser nur noch zur Arbeit und in wichtigen Ausnahmen wie Arztbesuchen oder Lebensmitteleinkäufen verlassen dürfen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan zeigte Verständnis für den Shutdown, bei dem nicht lebensnotwendige Geschäfte und Einrichtungen schließen müssen. Zugleich kritisierte er die Regierung, die noch vor wenigen Tagen an den geplanten Weihnachtslockerungen festgehalten hatte.
Die deutsche Bundesregierung prüft inzwischen Schutzvorkehrungen und will den Reiseverkehr zwischen Deutschland und Großbritannien bis zum 6. Januar einschränken. Eine entsprechende Regelung werde zur Zeit erarbeitet, erklärte ein Regierungssprecher am Sonntag. Andere Länder stoppten bereits den Reiseverkehr aus Großbritannien: Die Niederlande sagten Flüge ab, auch Belgien schließt für mindestens 24 Stunden seine Grenzen zu dem Land. Italien will die Flugverbindungen mit Großbritannien aussetzen.
Ersten Analysen britischer Wissenschaftler zufolge verfügt die neue Variante über ungewöhnlich viele genetische Veränderungen, vor allem im Spike-Protein. Dieses Protein benötigt das Virus, um in Zellen einzudringen. Der in Großbritannien eingesetzte Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer erzeugt eine Immunantwort gegen genau dieses Protein. Zwar gibt es Befürchtungen, dass der Impfstoff gegen die neue Variante möglicherweise nicht wirkt, aber Experten zeigten sich zuversichtlich. »Ich sehe da derzeit keinen Grund für Alarm«, sagte Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel. Dass Mutationen auftauchen, sei nicht ungewöhnlich. Derzeit wisse man nicht, ob die beobachteten Veränderungen die Eigenschaften des Erregers überhaupt entscheidend verändern.
Großbritannien hatte vor gut anderthalb Wochen mit einer Massenimpfung begonnen. Mit Stand Samstagmorgen hatten etwa 350 000 Menschen das Vakzin erhalten, sagte Premier Johnson.
In Deutschland ist die neue Variante nach Angaben von Christian Drosten von der Berliner Charité bisher nicht aufgetaucht. Auch bei uns sollen gleich nach Weihnachten die Impfungen gegen den Covid-19-Erreger starten. dpa/nd
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