Weihnachtsstreik bei Amazon

Beschäftigte des Versandkonzerns in Deutschland fordern endlich verbindlichen Handels-Tarifvertrag

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 2 Min.

»Rekordgewinne für Amazon. Nur Krümel für die Arbeiter?!« Am frühen Montagmorgen starteten rund 20 Beschäftigte ihren Streiktag vor den Toren des Onlinehändlers Amazon in Leipzig mit einem Transparent und einem Großplakat. Hier beteiligen sich laut der Gewerkschaft Verdi rund 450 Mitarbeiter bis Weihnachten am Ausstand. Etwa genauso viele Beschäftigte ließen im hessischen Bad Hersfeld ab Montagmorgen ihre Arbeit ruhen. Auch in Rheinberg und Werne in Nordrhein-Westfalen, wo der Streik am Sonntagabend kurz vor Mitternacht begonnen hatte, werden ähnliche Teilnehmerzahlen erwartet. Insgesamt wollen bis Weihnachten rund 1700 Streikende an sechs Standorten die Arbeit niederlegen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat zu den Streiks aufgerufen. Das Ziel heißt seit 2013: Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie Abschluss eines Tarifvertrages für gute und gesunde Arbeit.

»Die Beschäftigten sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit und fühlen sich gerade in der besonderen Corona-Situation vom Unternehmen nicht ausreichend wertgeschätzt«, erklärte die zuständige Gewerkschaftssekretärin Mechthild Middeke. Mit dem Amazon-Weihnachtsgeld und der im Dezember noch ausgelobten Corona-Prämie lägen diese Zahlungen noch weit unter dem tariflichen Weihnachtsgeld. »Tarifliche Bezahlung ist das Mindeste. Angesichts der Rekordumsätze und Rekordgewinne des Konzerns stünde den Beschäftigten eine Rekordbezahlung zu.«

Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger erklärte, die weitgehende Schließung von Läden seit der vergangenen Woche wegen des Lockdowns habe dazu geführt, dass das Bestellaufkommen bei Versandhändlern wie Amazon noch einmal deutlich gestiegen sei. Während der US-Konzern seine Milliardengewinne also weiter erhöhe, »verweigert er den Beschäftigten eine tarifvertragliche Bezahlung«, kritisierte die Gewerkschafterin. Stattdessen würden die Beschäftigten »einem noch größeren Druck ausgesetzt, weil Amazon trotz der zusätzlichen Arbeitshetze Lieferversprechungen macht«. Dies gehe »unweigerlich auf Kosten der Gesundheit der Belegschaft, gerade jetzt unter den Bedingungen der Pandemie«.

Amazon selbst bleibt bei der Aussage, ihre Beschäftigten profitierten bereits von »exzellenten Löhnen, exzellenten Zusatzleistungen und exzellenten Karrierechancen«. Oberste Priorität seien deren Gesundheit und Wohlbefinden. Die Streikaktionen hätten keine Auswirkungen auf Lieferungen.

In Leipzig machen die Beschäftigten auch bei diesem Streik keine so exzellenten Erfahrungen mit dem Konzern. Gewerkschafter Jörg Lauenroth-Mago, Fachbereichsleiter für den Handel, berichtet von vermehrten Kündigungen bei befristeten Verträgen und falsch eingetragenen Fehlstunden während der Streikzeit. »Schikane, der übliche Kleinkrieg«, so Lauenroth-Mago. Dennoch sei die Stimmung gut. Kommentar Seite 8

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