Politikerinnen helfen im Krankenhaus

Dutzende Freiwillige unterstützen in Senftenberg und Potsdam die Versorgung von Patienten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Linke-Landesvorsitzende Anja Mayer (l.) demonstrierte erst kürzlich gegen die Teilprivatisierung des Klinikums Niederlausitz.
Die Linke-Landesvorsitzende Anja Mayer (l.) demonstrierte erst kürzlich gegen die Teilprivatisierung des Klinikums Niederlausitz.

In Brandenburg verzeichnen der Landkreis Oberspreewald-Lausitz und die Stadt Potsdam mit die meisten Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100 000 Einwohner. Von den 922 Todesfällen im Bundesland entfallen 98 auf Oberspreewald-Lausitz und 80 auf Potsdam. Das Klinikum Niederlausitz mit seinen zwei Standorten in Senftenberg und Lauchhammer verfügt auf der Intensivstation in Senftenberg eigentlich nur über acht Intensivbetten. Diese Zahl hat es in der Not schon verdoppelt. Es reicht nicht. Aber mehr geht nicht, weil es an Personal mangelt. Dies nicht zuletzt deshalb, weil auch Ärzte und Krankenschwestern an Covid-19 erkrankt sind und nicht arbeiten können. Daran scheitert zeitweise die Nutzung sämtlicher Betten und Beatmungsplätze auf den drei Isolierstationen.

Fünf Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes stehen dem Klinikum zu Seite. Doch auch das genügt nicht. Mit einem Hilferuf hat sich das Klinikum an die Bevölkerung gewandt. 180 Bürger meldeten sich als Freiwillige. Die ersten 29 waren bis zum 18. Dezember eingestellt. Bis dahin hatte das Klinikum im Dezember bereits 51 Patienten nach Berlin, Bad Saarow und Frankfurt (Oder) verlegen müssen. Unterstützung durch 20 weitere Helfer stehe unmittelbar bevor, hieß es.

Zu denen, die jetzt mit anpacken, gehört auch Brandenburgs Linksfraktionschefin Kathrin Dannenberg, die im Kreis Oberspreewald-Lausitz in der Stadt Calau wohnt. Ein Foto zeigt sie mit Maske und blauem Kittel im Krankenhausdienst. Auch andere Genossen helfen hier. Dannenberg wollte das für sich behalten. Nur zufällig hat das »nd« davon erfahren. Im Krankenhaus arbeitete Dannenberg quasi inkognito, sagte dort, sie sei Lehrerin. Das stimmt auch, das ist ihr Beruf. »Dass ich Politikerin bin, dass interessiert dort auch keinen«, winkt sie ab. Die Linksfraktionschefin wollte ehrenamtlich tätig werden, wird nun aber als Pflegehilfskraft bezahlt – weil das Klinikum keine Möglichkeit gesehen habe, sie mit einem Ehrenamtsvertrag zu beschäftigen. »Ich werde das Geld natürlich nicht für mich behalten. Ich werde es spenden«, so Dannenberg.

An Patienten kommt sie nicht heran, hilft aber mit anderen Freiwilligen den Krankenschwestern, reicht ihnen etwas zu, kocht Kaffee, schmiert Stullen, desinfiziert. Es geht dabei darum, das Pflegepersonal zu entlasten. Bei ihrer Tätigkeit sieht die Politikerin Corona-Patienten und das mit der Erkrankung verbundene Elend. Sie sieht die schwere Arbeit der Pflegekräfte. »Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe und vor den Leuten, die das machen«, betont sie. Dienstag vergangenen Woche hat sie das erste Mal acht Stunden zugepackt, stand dann Heiligabend wieder im Dienstplan und soll und möchte am 30. und 31. Dezember ihren dritten und vierten Einsatz absolvieren.

Bereits während der ersten Welle der Corona-Pandemie im Frühjahr arbeitete die Landesvorsitzende Anja Mayer im katholischen St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam. Nachdem für das kommunale Ernst-von-Bergmann-Klinikum wegen unerklärlich vieler Coronafälle ein Aufnahmestopp verhängt wurde, musste das kleinere St. Josefs-Krankenhaus die Funktion der zentrale Notaufnahme in der Stadt übernehmen. Das stellte das Haus vor große Schwierigkeiten. Die Situation zu meistern, half ein Dutzend Ehrenamtliche, zu denen die gelernte Arzthelferin Anja Mayer zählte. Hier sei man »sehr angetan vom Engagement von Frau Mayer«, berichtete Krankenhaussprecher Benjamin Stengl. Sie sei losgelöst von ihrem politischen Kontext gekommen, »nicht als Politikerin, sondern als Mensch«.

Mayer selbst beteuerte damals: »Mir geht es wirklich lediglich darum, hier Menschen helfen zu können. Mir ist es wichtig, in der größten Pandemie, die wir seit 100 Jahren haben, dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird.« Im Sommer entspannte sich die Lage, doch als im Herbst die zweite Welle der Pandemie anrollte, fragte das Krankenhaus bei Mayer an, ob sie im Fall der Fälle wieder kommen würde. Mayer sagte zu. Nun ist es soweit. Am Mittwoch vergangener Woche kam sie erneut in die Notaufnahme. »Habe gerade Dienst«, schrieb sie dem »nd« auf Anfrage in einer kurzen Nachricht.

Kurz zuvor hatten Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), das Bergmann-Klinikum und das St. Josefs-Krankenhauses die Bevölkerung um Hilfe gebeten. Allein beim Bergmann-Klinikum meldeten sich 180 Freiwillige, von denen bis Weihnachten 30 eingestellt worden sind, wie die Nachrichtenagentur dpa meldete. Sie zitierte Geschäftsführer Hans-Ulrich Schmidt: »Uns treibt die Sorge um, dass die Kapazitäten in den kommenden Wochen nicht reichen.«

In Brandenburgs Krankenhäusern werden 1078 Corona-Patienten behandelt, 191 auf der Intensivstation. 126 werden beatmet.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -