Alt, älter, allein

Brandenburg zahlt nur 22 Millionen Euro statt der versprochenen 30 Millionen für den Pakt für Pflege

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sollen schon Krankenwagen bei einem Pflegeheim im Landkreis Oder-Spree vorgefahren sein, um Corona-Patienten abzuliefern, die gar nicht in diesem Heim wohnen. Die Tageszeitung »Der Prignitzer« hat deswegen bei Brandenburgs Sozial- und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) nachgehakt. So sei das nicht gedacht gewesen, entschuldigt sich die Ministerin für dergleichen Vorkommnisse. Doch in der gegenwärtigen Krise seien das Fehler, die passieren. Tatsächlich sollen Pflegeheime nach vorheriger Absprache diejenigen ihrer Bewohner wieder bei sich aufnehmen, für die im Krankenhaus nichts mehr getan werden könne, die zum Beispiel keine Sauerstoffzufuhr mehr benötigen und nur noch einige Zeit in Quarantäne bleiben müssen. So soll überfüllten Kliniken etwas Luft verschafft werden. Ein entsprechendes Schreiben aus Nonnemachers Ressort, das offenbar hier und da falsch verstanden wurde, sei verschickt worden, bestätigt die Ministerin. »Den Unmut darüber bitte bei mir abladen!«

Es sind schwere Zeiten für Pflegeheime und Pflegedienste. Schließlich kümmern sie sich um die Risikogruppe der Hochbetagten und chronisch Kranken, für die das Coronavirus sehr gefährlich ist und die deshalb besonders sorgfältig vor einer Ansteckung geschützt werden müssen. Und dabei herrscht ohnehin schon ein Pflegenotstand. Der neue Pakt für Pflege soll helfen, diesen Notstand zu beheben. Ministerin Ursula Nonnemacher unterzeichnete ihr Exemplar einen Tag vor Weihnachten. Gern hätte sie dazu eine große Veranstaltung gemacht. Doch wegen der Corona-Pandemie kam stattdessen nur eine kleine Runde per Videokonferenz zusammen.

Der Pakt für Pflege beinhaltet vor allem ein Förderprogramm für Kommunen in Höhe von 11,7 Millionen Euro im Jahr, wobei der Löwenanteil von neun Millionen Euro für die Ämter und Gemeinden gedacht ist, die bestimmte Ideen damit umsetzen können - zum Beispiel einen gemeinsamen Mittagstisch für Senioren organisieren. Das ist für manche alte Menschen angenehm, weil sie dabei gesellig plaudern können. Bekommen sie nur ein Essen auf Rädern angeliefert, müssen sie es möglicherweise einsam in den eigenen vier Wänden einnehmen. Zum Pakt gehören auch ein fünf Millionen Euro umfassendes Investitionsprogramm für die Tages- und Kurzzeitpflege, die Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sowie das Bemühen um die Fachkräftesicherung durch attraktive Ausbildungsplätze und Beschäftigungsbedingungen.

Insgesamt sollen für all diese Dinge zunächst bis 2024 pro Jahr 22 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Ursprünglich hatten sich SPD, CDU und Grüne im Jahr 2019 in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Summe von 30 Millionen Euro geeinigt. »Schade, dass es nur 22 Millionen geworden sind«, findet Manfred Helbig, der Vorsitzende des Landespflegeausschusses. Er erinnert: »Die größten Herausforderungen stehen noch vor uns. Der demografische Wandel wird mit aller Härte zuschlagen.«

Das ist der Gesundheitsministerin bewusst. 154 000 Einwohner des Bundeslandes sind derzeit pflegebedürftig. Im Jahr 2017 waren es noch 132 000. »Sie sehen das starke Anwachsen«, sagt Nonnemacher. Darum wären 30 Millionen Euro auf jeden Fall besser gewesen. Insbesondere bei der Kurzzeitpflege gebe es noch Reserven. Diese werde in Brandenburg nur halb so oft in Anspruch genommen wie im Bundesdurchschnitt. Das blockiere unnötig Plätze in der Langzeitpflege. Aber Nonnemacher ist froh, dass sie wenigstens die 22 Millionen Euro zugebilligt bekommen hat. Diese Summe könne sich sehen lassen. »Das Glas ist mindestens drei Viertel voll.«

»Geld ist endlich«, bedauert die Landtagsabgeordnete Roswitha Schier (CDU). Sie sei Ministerin Nonnemacher »außerordentlich dankbar«, dass diese Finanzministerin Katrin Lange (SPD) »wahrscheinlich mit Hauen und Stechen« die 22 Millionen abgerungen habe in einer Zeit großer Haushaltsnotlage.

Die Abgeordnete Carla Kniestedt (Grüne) appelliert nun, dass die Kommunen fleißig Anträge stellen und die Mittel schnell abfließen, damit sie als Politiker drängeln kann, dass mehr Geld gebraucht werde. Es würde nicht gut aussehen, wenn etwas übrig bleibt.

26 Organisationen beteiligen sich am Pflegepakt: Krankenkassen, Wohlfahrtsorganisationen, Gewerkschaften, der Landesverband Hauskrankenpflege, die Alzheimer-Gesellschaft, die Pflegeschulen und so weiter. Meike Jäger von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hebt hervor, dass sich alle Unterzeichner darauf einigen konnten, die Tarifbindung zu stärken. Denn hier gebe es noch »Nachholbedarf«. Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes, sagt zu dem Pakt: »Wir sind uns sicher, dass es nicht nur ein symbolischer Akt ist.«

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