In Paris überwiegt die Erleichterung

Ein »No Deal« hätte Frankreich wirtschaftlich weniger hart als Großbritannien getroffen, doch die Skepsis bleibt auch nach dem Post-Brexit-Abkommen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

In Frankreich wurde das praktisch in letzter Minute erzielte Post-Brexit-Abkommen mit Großbritannien mit großer Erleichterung aufgenommen. In Regierungskreisen hatte man nicht daran gezweifelt, dass es dazu kommen würde. Man schätzte ein, dass Premier Boris Johnson viel blufft und Keile zwischen die 27 EU-Länder zu treiben versucht, um bestmögliche Konditionen herauszuschlagen. Darum bestand Präsident Emmanuel Macron seinen europäischen Amtskollegen gegenüber immer wieder darauf, hart und einig zu bleiben. In der Wirtschaft und bei der Masse der Franzosen hatte man dem Ausgang der Verhandlungen beklommener entgegengesehen.

Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen eines »No-Deal« wären vor allem für die Briten sehr groß, aber auch für die Franzosen und die anderen Europäer nicht zu unterschätzen gewesen. Fast ein Drittel der französischen Produktion von frischem Obst und Gemüse sowie 15 bis 20 Prozent von hier produziertem Wein und Champagner oder von Cognac und anderen Spirituosen gehen auf den britischen Markt. Mehr als die Hälfte ihrer Molkereiprodukte und auch einen Großteil der Konsumgüter beziehen die britischen Handelsketten aus Frankreich. Entsprechend erfreut reagieren die betroffenen Zweige in Frankreich und ihre Beschäftigten darauf, dass dieser Handel jetzt zoll- und quotenfrei weitergehen kann. Dass die französischen Fischer langfristig einen Teil der Fanggründe vor der britischen Küste verlieren, wurde von ihnen erstaunlich gelassen aufgenommen. Sie hatten mit schlimmeren Einbußen gerechnet, und die jetzt zu erwartenden Verluste werden durch umgehend angekündigte Finanzhilfen der Regierung weitgehend kompensiert.

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In der Industrie hält sich dagegen die Freude in Grenzen. Der drohende »No-Deal« hatte vor Augen geführt, wie stark viele Produktionsbetriebe auf dem Kontinent von Teilezulieferungen aus Großbritannien abhängen. Der Trend, dafür »störfreiere« Alternativen in europäischen Nachbarländern zu suchen oder neu aufzubauen, dürfte sich fortsetzen. Auch politisch wird die durch den Brexit und die zähen Vertragsverhandlungen immer größer gewordene Skepsis den Briten gegenüber bleiben. Man erinnert wieder öfter daran, wie sich Charles de Gaulle in seinen Amtsjahren als Präsident mit aller Kraft gegen eine Aufnahme Großbritanniens in die Union gesperrt hatte. Die Briten hätten hier nichts zu suchen, denn sie seien keine Europäer, sondern eher Atlantiker und damit eine Art »US-Brückenkopf«, warnte er. Auch seine Einschätzung, sie wollten sich »aus dem europäischen Kuchen nur die Rosinen herauspicken«, hat sich in den folgenden 47 Jahren »Vernunftehe« zwischen ihrem Beitritt 1973 und dem Austritt heute nur zu oft bewahrheitet. Die Lage nach ihrem Ausscheiden und nach dem jetzigen Vertragsschluss hat ein französischer Kabarettist dieser Tage treffend auf den Punkt gebracht: »Bisher hatten die Briten einen Fuß in Europa und einen draußen. Künftig ist es umgekehrt.«

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