Alleine im Boden seit der Jungsteinzeit
Fund eines Frauenskeletts im uckermärkischen Bietikow ermöglicht Blick in eine Zeit umfassender Veränderungen
Etwa 5300 Jahre ist es alt. Das im Mai in der Uckermark bei archäologischen Grabungen entdeckte Skelett entpuppte sich bei genaueren Untersuchungen als etwas Besonderes. Jetzt versucht die Wissenschaft, die in Bietikow entdeckte Frau aus der Jungsteinzeit näher kennenzulernen. »Der Leichnam wurde allein bestattet, es gab kein weiteres Gräberfeld und es fehlten Grabbeigaben wie Keramiken oder Schmuck zur genauen Datierung«, sagt Anthropologin Bettina Jungklaus, die freiberuflich für das Landesamt für Denkmalpflege arbeitet.
Vorsichtig seien die Knochen freigelegt und dann gesäubert worden. Die Beine lagen in größerer Tiefe, mussten extra geborgen werden. Die Fachleute erkannten schnell, dass alles auf eine Hockerbestattung hindeutete. Das sei zwar keine wissenschaftliche Sensation, jedoch ein durchaus seltener und aufregender Fund, hatte Archäologe Philipp Roskoschinski gesagt, dessen Firma Archaeros im Auftrag des Unternehmens tätig ist, das an der Grabungsstätte Windräder errichtet. Gemäß den Bestimmungen des Denkmalschutzes sondierte er das Terrain vor Beginn der Bauarbeiten. Die Tote ruhte auf der rechten Seite, Beine und Arme waren angezogen. Der Kopf war nach Osten gerichtet, der Blick nach Norden. Über die C 14-Methode, auch Radiokohlenstoffdatierung genannt, konnte mittlerweile das Alter des Fundes bestimmt werden. Die Frau habe etwa zwischen 3400 und 3100 vor Christus gelebt, sagt Jungklaus. Sie ist damit über 5000 Jahre alt.
Damit sei die Datierung in der Trichterbecherkultur bestätigt, erklärt Christof Krauskopf, Sprecher des Landesdenkmalamtes. Für Brandenburg sei das ein seltener Fund. »Die Dame von Bietikow ist eine stumme Zeugin einer Zeit, welche umfassende Veränderungen mit sich brachte«, erläutert Archäologe Roskoschinski.
Die Frau war zum Zeitpunkt ihres Todes etwa 30 bis 45 Jahren alt. Gerade wurden Knochenteile für eine genetische Untersuchung an das Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena weitergeleitet. »Wir erhoffen uns Angaben dazu, welche Gemeinsamkeiten die Frau mit anderen Bevölkerungsgruppen in jener Zeit hatte«, sagt Bettina Jungklaus. »Kamen sie und ihre Vorfahren aus dem Vorderen Orient oder war sie verwandt mit der Urbevölkerung, die damals auf dem heutigen Gebiet Brandenburgs lebte?« Man könnte auf genetische Beziehungen zu den Vorfahren schließen. »Es sind viele Puzzleteile, die zusammengesetzt werden und spannende Einblicke geben können.«
Krauskopf ergänzt, dass gerade die Untersuchung alter DNA aus Skelettfunden viel zur Siedlungsgeschichte und zur Erforschung der Migration der Vorfahren beitrage. »Der Mensch war schon immer unterwegs, schon immer ein Migrant«, sagt Krauskopf.
Bislang sei neben dem Alter bekannt, dass die Dame eher von graziler Statur gewesen sei. Wie groß sie genau war und ob sie Kinder geboren hat, bleibt im Dunkeln. »Für diese Informationen fehlen wichtige Knochen beziehungsweise sie sind defekt, wie etwa das Becken«, erklärt Jungklaus. Die Frau musste wohl nicht besonders schwer körperlich arbeiten. »Darauf deutet nichts am Skelett hin. Das Gebiss war nahezu komplett, jedoch waren die Zähne stark abgenutzt.« Das deute auf den Verzehr von Getreide hin, das zwischen Steinen gemahlen wurde. Abrieb von Mahlsteinen geriet mit ins Essen und beanspruchte den Zahnschmelz. Ein Zahn war stark von Karies befallen. Die verursachte Entzündung im Unterkiefer könnte zu einer Blutvergiftung, zu einer tödlichen Infektion geführt haben.
Das Aussehen der Frau wird wohl ein Geheimnis bleiben. Gesichtsrekonstruktionen anhand des Schädels kosten viel. »Ob wir das bei diesem Fund machen können, ist noch nicht entschieden«, sagt Denkmalamtssprecher Krauskopf. Ob und in welcher Form die Jungsteinzeit-Dame öffentlich präsentiert werden könne, hänge besonders von restauratorischen Erwägungen ab. Eventuell bleibe sie sicher aufbewahrt in der Magazinsammlung. dpa
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