»Wir sind Cavani«

In Uruguay ist man empört über den englischen Fußballverband, der den Torjäger für vermeintlichen Rassismus abstrafte

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Uruguayer Edinson Cavani muss eine Geldstrafe in Höhe von 100 000 britischen Pfund zahlen. Cavani spielt Fußball bei Manchester United in der englischen Premier Leage. Dort hatte er im Spiel gegen den FC Southampton zwei Tore erzielt und sich danach auf Instagram bei einem Freund mit den Worten »Gracias, negrito« für dessen Glückwünsche bedankt.

Cavanis Wortwahl rief den englischen Fußballverband auf den Plan. Kurz vor Jahresende wertete der Verband den Gruß als »beleidigend, missbräuchlich und unangemessen«. Der Spieler habe darin Bezug auf die Hautfarbe oder ethnische Herkunft genommen und so gegen die Verbandsregeln verstoßen. Außer der Geldstrafe sperrte er Cavani für drei Spiele und verpflichtete ihn zur Teilnahme an einigen Unterrichtseinheiten über Rassismus.

Mit welcher Berechtigung die Football Association ein persönliches Anliegen sanktioniert, das abseits des Fußballfeldes stattfand, sollten Jurist*innen beantworten. Um des Friedens willen nahm Cavani die Verbandsentscheidung an, lehnte aber die Begründung ab. »Ich akzeptiere die Disziplinarstrafen, da ich weiß, dass ich mit den Gepflogenheiten der englischen Sprache nicht vertraut bin, aber ich teile nicht die Auffassung des englischen Verbands«, twitterte der Spieler.

Blanco und Negro sind im spanischsprachigen Südamerika die gängigen Wörter für Weiß und Schwarz und, bezogen auf Personen, Weißer und Schwarzer. Blanquito oder Negrito ist das jeweilige Diminutiv. Der Google-Translator würde Letzteres gerne mit »Negerkind« übersetzen. Doch Edison Cavani hat kein N-Wort benutzt.

Im Wörterbuch der Academia Argentina de Letras findet sich folgender Eintrag: »Negro, -gra. (umgangssprachlich). Vertrauenswürdige Behandlung, die den Vornamen ersetzt und verwendet wird, um jemanden zu rufen, um Aufmerksamkeit zu bitten oder das Wort an eine Person zu richten.« Die Verwendung des Diminutivs verstärke den affektiven Sinn. Das Wörterbuch der Akademie der spanischen Sprache am Río de la Plata entspricht dem Duden im deutschsprachigen Raum. Zu Cavanis Danksagung erklärte die Akademie: »Jeder Benutzer unserer Sprache in diesem Teil der Welt versteht, dass dieses Wort, das in dem Kontext verwendet wird, der die Strafmaßnahme zu Folge hatte, eine klare affektive Bedeutung hat, völlig frei von diskriminierenden oder rassistischen Nuancen.« Sie forderte die Aufhebung der Strafe und eine Entschuldigung bei dem Spieler - »dafür, dass sein guter Name unbegründet beschädigt wurde«.

Empört reagierten die Verantwortlichen von Uruguays Fußballclub Plaza Colonia. »Die Engländer überfielen und besetzten Länder und tun es noch immer, sie verfolgten und exekutierten Menschen, weil diese anders dachten, sie versklavten sie, verweigerten ihnen ihre Rechte und verfochten die religiöse Intoleranz. Heute sind sie die Richter über die Moral, ohne den Kontext oder die Kultur zu berücksichtigen. Wir sind Cavani«, twitterte der Verein, der 2016 die Meisterschaft gewonnen hatte.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.