Die erwartbare Erstürmung des Kapitols

Die Proteste in Washington D.C. hatten sich angekündigt. Schon seit Monaten machten Rechtsextreme mobil.

  • Joseph Keady, Washington D.C.
  • Lesedauer: 4 Min.

Als zehntausend Anhänger des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump am Mittwoch das Kapitol in Washington, D.C. belagerten und Hunderte das Gebäude erstürmten, haben die Protagonist*innen damit für weltweites Entsetzen gesorgt. Die Ereignisse in der Hauptstadt waren jedoch zu erwarten. Seit Monaten trommelt eine Koalition aus verschiedenen Rechtsaußenbewegungen zum Aufstand und Bürgerkrieg.

Am Mittwoch hatte der US-amerikanische Kongress geplant, die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl formell zu bestätigen. Wahlergebnisse, die laut Trump und seinen verschwörungstheoretischen Anhängern betrügerisch seien und eine Bedrohung für die Republik darstellen würden. Wer so denkt, für den war die Belagerung des Kongresses nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit.

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Bereits am 20. Dezember twitterte Trump, dass es »statistisch unmöglich« wäre, dass er die Präsidentschaftswahl 2020 verloren hätte. Schon damals hatte er seine Anhänger zu einem »großen Protest in DC« am 06. Januar eingeladen. »Seid da«, schrieb Trump, »es wird wild!«.

In den vergangenen Wochen hatte eine Onlinegruppe namens »Donald´s Army« Pläne veröffentlicht, die Unterstützer*innen des Präsidenten ermutigten, Demonstrationszüge aus jedem Teil des Landes zu bilden, um in die Hauptstadt Washington D.C. »hereinzubrechen«. Landkarten zeigten die Zeiten und Orten, wo die Teilnehmer*Innen sich treffen könnten sowie einen Plan, wie sie das Kapitol belagern können. Mittlerweile sind Menschen in weiteren Onlineforen mit einer ähnlich gewaltsamen Rhetorik aufgefallen. Als beispielsweise ein Benutzer der Website TheDonald fragte »Was geschieht, wenn der Kongress das Beweismaterial (für die Wahlfälschung) nicht beachtet?«, kam dort als Antwort: Dann müsse man »das Kapitol erstürmen!« Und über den Telegram-Messenger hat ein Benutzer bereits an Silvester in der landesweiten Gruppe »Ten Million to Washington« geschrieben, dass er eine »schöne Gruppe aus mindestens fünf bis zehn starken Männer« suche, mit denen er das Kapitol erstürmen wolle.

Dieser Benutzer ist ein selbst erklärtes Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppe »The Proud Boys«. Diese spielten bereits während zwei gewaltsamen rechten Mobilmachungen im November und im Dezember in Washington eine entscheidende Rolle. Der Führer der »Proud Boys«, Enrique Tarrio, hatte angekündigt, dass er mehr als 1.000 Mitglieder der Gruppierung zu den Protesten gegen den angeblichen Wahlbetrug in die Hauptstadt bringen wolle. Sofort nach seiner Ankunft in Washington wurde Tarrio allerdings wegen illegalen Waffenbesitz verhaftet und der Stadt verwiesen. Während der Erstürmung des Kapitols hat er auf der dem Präsidenten nahestehenden Social Media Site Parler ein Bild gepostet, das scheinbar verängstigte Kongressabgeordnete zeigt. Sie verstecken sich hinter Stühle. Als Bildunterschrift schrieb Tarrio: »Wenn das Volk die Regierung fürchtet, so gibt es Tyrannei … Wenn die Regierung das Volk fürchtet … so gibt es Freiheit.« Ein weiteres Mitglied der rechtsextremen »Proud Boys«, Jeremy Bertino, sah in den Ereignissen eine verpasste Gelegenheit, da die Teilnehmenden sich scheuten, »es zur nächsten Ebene zu führen«.

Unter den Aufrührern im Kapitol fanden sich auch verschiedene andere bekannte Rechtsextremisten wie der Neonazi Tim Gionet, der auch als »Baked Alaska« bekannt ist. Gionet war als Redner bei der »Unite the Right« Kundgebung in Charlottesville, Virginia, im August 2017 vorgesehen. Nach der Demonstration kam es zu einem tödlichen Übergriff auf Gegendemonstrant*innen.

Während der Erstürmung des Kapitols streamte Gionet durchgängig. Trotzdem ist ein Teil der rechten Verschwörungstheoretiker*innen besessen von der Idee, dass Antifaschist*innen das Gebäude gestürmt hätten. Die Trump-Anhängerin Sidney Powell hat getwittert, dass »es #AntifaTerrorists« waren, die mit der Gewalt begonnen hätten.

Nach dem Sturm auf das US-Kapitol hat die Bürgermeisterin der Stadt den Notstand verlängert. Es sei zu erwarten, dass einige Trump-Unterstützer ihre gewalttätigen Proteste bis zur Amtseinführung Bidens fortsetzen.

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