Wir haben keine Lösung der Probleme

Keyboarder Kurt Dahlke (aka Pyrolator) über das erste und zweite Leben der Fehlfarben

ND: Nach sehr langer Pause sind die Fehlfarben vor einigen Jahren als Band wieder zusammengekommen. Was hat Euch damals dazu bewegt?
Dahlke: Den Ausschlag bildete, dass wir für »Monarchie und Alltag« im Jahre 2000 eine Goldene Schallplatte bekommen hatten. Da wurde dieser alte Spruch wieder ausgegraben: »Ach, wir machen alle zehn Jahre eine neue Platte.« »Monarchie und Alltag« war ja schon 1980 erschienen, 1991 »Die Platte des Himmlischen Friedens«. Und dann haben wir tatsächlich 2001 einen Demo-Etat von der Plattenfirma gekriegt, um neue Stücke aufzunehmen. Die Songs haben zwar nicht dieser, aber einer anderen Plattenfirma so gut gefallen, dass wir eine neue Platte machen konnten. Dabei ist dann »Knietief im Dispo« rausgekommen. Das gemeinsame Album und die anschließende Tour haben uns als Gruppe sehr zusammengeschweißt, so dass wir beschlossen, weiterzumachen.

War dieser Neustart ein Einschnitt in Eure Leben, die sich doch sicher in der Zwischenzeit verändert hatten?
Die Mitglieder der Gruppe waren schon früher immer über ganz Deutschland verteilt und die meisten von uns haben auch in der Zwischenzeit in musikalischen Projekten gearbeitet. Wir konnten sowieso immer nur für Arbeitsphasen zusammenkommen und das hat unser alltägliches Leben erstmal nicht tangiert. Insofern also: Nein. Nur die Tourphasen sind natürlich ein großer Einschnitt.

Eure neue Platte heißt »Handbuch für die Welt«. Was ist das für ein Handbuch und was sollen wir damit tun?
Es gibt ja im Grunde nur noch diese nicht gedruckten Handbücher, die als PDF beiliegen. Wie der Text schon sagt, wurde das Handbuch für die Welt nicht mitgeliefert. Insofern haben wir leider auch kein Handbuch zur Lösung der Probleme dieser Welt, wir können leider auch nur aufzeigen, was unserer Meinung nach nicht stimmt.

Was stimmt denn nicht?
Wenn man den Titel »Politdisco« nimmt, da ist eine böse Zeile drin, die heißt »Nur wo Menschen sterben, sind Gewinne zu erwarten«. Wenn man sich alleine anschaut, was der deutsche Außenhandel mit Waffen verdient, da wird einem schlecht, oder? Das ist nur eins von sehr vielen Beispielen. Ich denke, man braucht nur in die Welt zu gucken und die Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten scheinen einem doch geradezu entgegen.

Von der Zeit, als es zum ersten Mal die Fehlfarben gab, bis heute hat sich musikalisch in Deutschland vieles verändert. Diskursbands wie Blumfeld entstanden, die sich zum Teil auf Euch beziehen. Wie seht Ihr Euch innerhalb dessen, was da gewachsen ist?
Blumfeld haben Anfang der 90er Jahre als Vorgruppe der Fehlfarben gespielt. Das sind gute Freunde von uns und wir haben uns sehr gefreut, dass Leute, die sich auf uns berufen, so erfolgreich geworden sind. Andererseits haben sich viele der Bands, die sich auf uns berufen haben, in der Zwischenzeit schon wieder aufgelöst, so wie eben jetzt auch Blumfeld. Trotzdem gab es zu jeder Zeit, und gerade heute wieder, ganz tolle deutsche Bands. Einige davon haben wir selbst im Vorprogramm erlebt. Es macht großen Spaß zu sehen, dass die deutsche Sprache mittlerweile etwas völlig Selbstverständliches geworden ist, nicht wie 1979/80, als wir angefangen haben, wo es wirklich etwas ganz Besonderes war, deutsch zu singen. Immer wieder mal kommen Leute auf uns zu und sagen: »Mensch, das, was ihr macht, hat uns sehr beeinflusst.« Inwieweit wir nun wirklich zu deren Musik beigetragen haben, mag ich jedoch nicht beurteilen.

Im Gegensatz zu den 80er Jahren scheinen heute alle irgendwie anders sein zu wollen. Kann man mit Musik noch einen echten Unterschied machen?
Ein englischer Kritiker hat mal gesagt: Um in England einen Hit zu landen, muss man anders sein als alle anderen, in Deutschland dagegen so wie die Top Ten. Ich glaube, dass viele junge Leute heute Musik machen, um Erfolg zu haben oder Geld zu verdienen. In den 80er Jahren bedeutete Musik mehr Ausdrucksform, vielleicht zeigt sich das gerade gut am Punk mit dieser Attitüde: »Ich kann nur drei Akkorde, aber ich kann trotzdem was sagen.« Es stimmt: Musikalisch gibt es diese Zersplitterung in alle möglichen Kleinst- und noch kleinere Sub- und Subsubszenen. Letztlich aber, finde ich, setzt sich Qualität auch in diesen Subszenen immer durch, relativ schnell, spätestens nach der zweiten Platte merkt man, ob es den Leuten um die Musik geht oder ob sie nur nach dem Erfolg schielen.

Was dürfen wir in Zukunft von den Fehlfarben erwarten?
Wir wollen eine kleine kreative Pause einlegen. Erstmal werden wir aber noch auf ein paar Sommerfestivals spielen. Den Großteil der Konzerte auf unserer diesjährigen Tour haben wir mitgeschnitten, vielleicht machen wir daraus eine Liveplatte. Auf jeden Fall wollen wir neue Stücke schreiben und hoffentlich ergibt sich nochmal die Möglichkeit, eine Platte zu machen.
Fragen: Ina Beyer

Fehlfarben: Handbuch für die Welt (V2 Records/Rough Trade)
Live: heute in Fresenhagen (Rio-Reiser-Haus-Festival) und morgen in Oppenheim (Cry for Happyness)
ND: Nach sehr langer Pause sind die Fehlfarben vor einigen Jahren als Band wieder zusammengekommen. Was hat Euch damals dazu bewegt?
Dahlke: Den Ausschlag bildete, dass wir für »Monarchie und Alltag« im Jahre 2000 eine Goldene Schallplatte bekommen hatten. Da wurde dieser alte Spruch wieder ausgegraben: »Ach, wir machen alle zehn Jahre eine neue Platte.« »Monarchie und Alltag« war ja schon 1980 erschienen, 1991 »Die Platte des Himmlischen Friedens«. Und dann haben wir tatsächlich 2001 einen Demo-Etat von der Plattenfirma gekriegt, um neue Stücke aufzunehmen. Die Songs haben zwar nicht dieser, aber einer anderen Plattenfirma so gut gefallen, dass wir eine neue Platte machen konnten. Dabei ist dann »Knietief im Dispo« rausgekommen. Das gemeinsame Album und die anschließende Tour haben uns als Gruppe sehr zusammengeschweißt, so dass wir beschlossen, weiterzumachen.

War dieser Neustart ein Einschnitt in Eure Leben, die sich doch sicher in der Zwischenzeit verändert hatten?
Die Mitglieder der Gruppe waren schon früher immer über ganz Deutschland verteilt und die meisten von uns haben auch in der Zwischenzeit in musikalischen Projekten gearbeitet. Wir konnten sowieso immer nur für Arbeitsphasen zusammenkommen und das hat unser alltägliches Leben erstmal nicht tangiert. Insofern also: Nein. Nur die Tourphasen sind natürlich ein großer Einschnitt.

Eure neue Platte heißt »Handbuch für die Welt«. Was ist das für ein Handbuch und was sollen wir damit tun?
Es gibt ja im Grunde nur noch diese nicht gedruckten Handbücher, die als PDF beiliegen. Wie der Text schon sagt, wurde das Handbuch für die Welt nicht mitgeliefert. Insofern haben wir leider auch kein Handbuch zur Lösung der Probleme dieser Welt, wir können leider auch nur aufzeigen, was unserer Meinung nach nicht stimmt.

Was stimmt denn nicht?
Wenn man den Titel »Politdisco« nimmt, da ist eine böse Zeile drin, die heißt »Nur wo Menschen sterben, sind Gewinne zu erwarten«. Wenn man sich alleine anschaut, was der deutsche Außenhandel mit Waffen verdient, da wird einem schlecht, oder? Das ist nur eins von sehr vielen Beispielen. Ich denke, man braucht nur in die Welt zu gucken und die Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten scheinen einem doch geradezu entgegen.

Von der Zeit, als es zum ersten Mal die Fehlfarben gab, bis heute hat sich musikalisch in Deutschland vieles verändert. Diskursbands wie Blumfeld entstanden, die sich zum Teil auf Euch beziehen. Wie seht Ihr Euch innerhalb dessen, was da gewachsen ist?
Blumfeld haben Anfang der 90er Jahre als Vorgruppe der Fehlfarben gespielt. Das sind gute Freunde von uns und wir haben uns sehr gefreut, dass Leute, die sich auf uns berufen, so erfolgreich geworden sind. Andererseits haben sich viele der Bands, die sich auf uns berufen haben, in der Zwischenzeit schon wieder aufgelöst, so wie eben jetzt auch Blumfeld. Trotzdem gab es zu jeder Zeit, und gerade heute wieder, ganz tolle deutsche Bands. Einige davon haben wir selbst im Vorprogramm erlebt. Es macht großen Spaß zu sehen, dass die deutsche Sprache mittlerweile etwas völlig Selbstverständliches geworden ist, nicht wie 1979/80, als wir angefangen haben, wo es wirklich etwas ganz Besonderes war, deutsch zu singen. Immer wieder mal kommen Leute auf uns zu und sagen: »Mensch, das, was ihr macht, hat uns sehr beeinflusst.« Inwieweit wir nun wirklich zu deren Musik beigetragen haben, mag ich jedoch nicht beurteilen.

Im Gegensatz zu den 80er Jahren scheinen heute alle irgendwie anders sein zu wollen. Kann man mit Musik noch einen echten Unterschied machen?
Ein englischer Kritiker hat mal gesagt: Um in England einen Hit zu landen, muss man anders sein als alle anderen, in Deutschland dagegen so wie die Top Ten. Ich glaube, dass viele junge Leute heute Musik machen, um Erfolg zu haben oder Geld zu verdienen. In den 80er Jahren bedeutete Musik mehr Ausdrucksform, vielleicht zeigt sich das gerade gut am Punk mit dieser Attitüde: »Ich kann nur drei Akkorde, aber ich kann trotzdem was sagen.« Es stimmt: Musikalisch gibt es diese Zersplitterung in alle möglichen Kleinst- und noch kleinere Sub- und Subsubszenen. Letztlich aber, finde ich, setzt sich Qualität auch in diesen Subszenen immer durch, relativ schnell, spätestens nach der zweiten Platte merkt man, ob es den Leuten um die Musik geht oder ob sie nur nach dem Erfolg schielen.

Was dürfen wir in Zukunft von den Fehlfarben erwarten?
Wir wollen eine kleine kreative Pause einlegen. Erstmal werden wir aber noch auf ein paar Sommerfestivals spielen. Den Großteil der Konzerte auf unserer diesjährigen Tour haben wir mitgeschnitten, vielleicht machen wir daraus eine Liveplatte. Auf jeden Fall wollen wir neue Stücke schreiben und hoffentlich ergibt sich nochmal die Möglichkeit, eine Platte zu machen.
Fragen: Ina Beyer

Fehlfarben: Handbuch für die Welt (V2 Records/Rough Trade)
Live: heute in Fresenhagen (Rio-Reiser-Haus-Festival) und morgen in Oppenheim (Cry for Happyness)

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